Exkursion nach Auschwitz irritiert Fraktionen

Sachsens Landtagspräsident Erich Iltgen will die NPD mit einer Reise ins polnische KZ von der Auschwitz-Lüge kurieren

DRESDEN taz ■ Abgeordnete aller Fraktionen des Sächsischen Landtags reisen symbolisch nach Auschwitz und zwingen damit die NPD zu einer Positionierung gegenüber den Holocaust-Opfern. Mit dieser Idee überraschte Sachsens Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) die Gäste seines Neujahrsempfangs in Dresden. Die Delegation solle „der deutschen Täterschaft und Verantwortung für Millionen Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft gedenken“. Und auf Nachfrage von Journalisten bekräftigte er nochmals: „Selbstverständlich will ich, dass die NPD mitfährt!“ Wer in Auschwitz gewesen sei, könne die Gräueltaten der Nazis nicht leugnen.

Iltgen spielte in seiner Ansprache auf den Eklat im Vorjahr an, als die NPD-Fraktion auf dem Höhepunkt ihres parlamentarischen Triumphes beim Gedenken an die Nazi-Opfer den Plenarsaal verließ und stattdessen mit dem Dresdner „Bomben-Holocaust“ provozierte.

Der Landtagspräsident hat mit seinem Vorschlag aber nicht nur die Nationalisten in Verlegenheit gebracht. Nicht zum ersten Mal handelte es sich um einen spontanen Alleingang. In seiner eigenen Fraktion rollen Abgeordnete deshalb mit den Augen, und die Pressestelle drückt sich bislang um eine Stellungnahme. Alle demokratischen Fraktionen bekräftigen zwar übereinstimmend die Wichtigkeit von Gedenkfahrten nach Auschwitz. Die Linkspartei kann sich den Zusatz nicht verkneifen, dass sie den geringsten Nachholbedarf habe. Dann aber beginnt das große Zweifeln.

„Ich glaube nicht an die Lernfähigkeit von NPD-Abgeordneten“, bekennt André Hahn, Parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Fraktion. „Die NPD könnte außerdem die Gelegenheit nutzen, mit eigenen symbolischen Akten einen Eklat zu provozieren.“ Fast wortgleich befürchtet FDP-Sprecher Andreas Novak ein ähnliches Risiko. „Zeitzeugen, mit denen es Begegnungen geben soll, könnten sich provoziert fühlen.“ Vom Medienecho auf die Präsenz deutscher Nazi-Parlamentarier in Auschwitz ganz zu schweigen. Ebenso wäre ein Hausverbot denkbar, wie es beispielsweise der Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen vor einem Jahr gegenüber der Brandenburger DVU-Fraktion aussprach. „Wir sollten unsere Probleme mit der NPD hier lösen und nicht in Polen“, sagt der grüne Abgeordnete Johannes Lichdi.

Einzig die SPD unterstützt Landtagspräsident Iltgen vorbehaltlos. Von einer „Nagelprobe“ und der „Selbstenttarnung der NPD“ spricht Fraktionschef Cornelius Weiss. Als „Provokation“ ist der Iltgen-Vorschlag denn auch bei der NPD angekommen. Sprecher Holger Szymanski wirkt ebenso unsicher wie seine gespaltene Fraktion. „Das ist nicht unser Thema.“ Wahrscheinlich wird die NPD nicht über ihren Schatten springen können und zu Hause bleiben. Hinter vorgehaltener Hand aber befürchten die anderen Fraktionen das Gegenteil. So, wie es NPD-Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx in gespielter Unschuld schon andeutete: „Warum sollten wir nicht mitfahren?“

MICHAEL BARTSCH