: Gesetz gegen Zwangsheirat läuft ins Leere
Erschwerter Nachzug von ausländischen Ehegatten lässt sich bei gemeinsamen Kindern juristisch nicht durchsetzen
FREIBURG taz ■ Mal wieder wird ein symbolisches Gesetz geplant. Zwar ist das Vorhaben von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), das Nachzugsalter für ausländische Ehegatten auf 21 Jahre zu erhöhen und Grundkenntnisse in der deutschen Sprache vorzuschreiben, wohl nicht direkt verfassungswidrig. Eine solche Regelung wird aber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Familie vermutlich keine große Wirkung haben.
Die Zwangsverheiratung sehr junger Frauen, zum Beispiel aus der Osttürkei, wird dabei erschwert, aber kaum verhindert. Denn zunächst muss der Gesetzgeber davon ausgehen, dass alle Ehen freiwillig geschlossen sind, auch wenn die Braut aus Anatolien kommt und erst 18 Jahre alt ist. Zwangsheiraten sind schließlich bisher schon als Nötigung strafrechtlich verboten.
Würde das Nachzugsalter der Braut auf 21 Jahre angehoben, müsste diese notfalls einige Jahre in der Türkei warten und könnte ihren Ehemann nur gelegentlich bei Besuchen treffen. Schon 1987 hat das Verfassungsgericht zwar entschieden, dass es unzumutbar ist, einem ausländischen Ehegatten erst drei Jahre nach der Hochzeit ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu geben. Damals ging es um eine Verwaltungsvorschrift aus Baden-Württemberg, die den Zuzug von Ausländern generell unattraktiv machen sollte. Wenn der Zweck einer neuen Vorschrift aber der Schutz vor Zwangsheiraten ist, sieht Karlsruhe die Sache möglicherweise anders.
Verfassungsrechtliche Probleme stellen sich aber spätestens, wenn das Paar Kinder hat. Seit einigen Jahren betont das Verfassungsgericht immer wieder, wie wichtig es für die Entwicklung von Kindern sei, dass sie Vater und Mutter als Bezugsperson haben. Es dürfte also eine Erhöhung des Nachzugsalters immer dann für unzulässig halten, wenn Paare mit Kindern betroffen sind. Das würde nach einer Gesetzesänderung wohl alsbald zur Regel. Auch der Gesetzentwurf sieht vor, dass in „Härtefällen“ die Altersgrenze ignoriert werden kann. „Härtefallbegründend kann das Vorhandensein gemeinsamer Kinder sein“, heißt es in der Begründung. Praktisch wird die Erhöhung des Nachzugsalters also weitgehend leer laufen.
Dagegen dürfte der Vorschlag, vom nachziehenden Ehegatten zu verlangen, dass er sich zumindest „auf einfache Weise in deutscher Sprache verständigen kann“, wohl eher verfassungskonform sein. Außerdem dürfte die Kenntnis der hiesigen Sprache einer zwangsverheirateten Frau bei der Wahrnehmung ihrer Rechte wohl eher helfen als ein um zwei oder drei Jahre höheres Lebensalter zum Zeitpunkt der Einreise. Laut Gesetzentwurf gilt die Sprachanforderung für nachziehende Ehegatten unabhängig vom Alter.
Dass derzeit vor allem SPD- und Grünen-Abgeordnete Probleme mit der Neuregelung des Gattennachzugs haben, überrascht etwas. Denn bereits im April 2005 wollte Rot-Grün das Nachzugsalter für Ehegatten auf 21 Jahre anheben und das Vorliegen von Grundkenntnissen der deutschen Sprache vorschreiben. Die vorgezogene Neuwahl kam damals dazwischen.
CHRISTIAN RATH