Muslim-Aufstand in der CDU

Im Streit um den Einbürgerungstest hat Günther Oettinger seine Landes-CDU und die FDP auf Linie. Doch die Türken in der Union machen ihm Ärger

VON G. LÖWISCH, L. WALLRAFF
UND S. AM ORDE

Der Ministerpräsident bleibt hart. Der Gesprächsleitfaden, mit dem Baden-Württemberg Bewerber um die deutsche Staatsbürgerschaft testen will, sei kein Gesinnungstest, verkündete Günther Oettinger gestern nach einer Kabinettssitzung. Vielleicht müsse er nach einem halben Jahr bewertet und weiterentwickelt werden – mehr nicht. Ansonsten seien die Fragen „ein Beitrag zu Integration und Vermeidung von Parallelgesellschaften“.

Mehr hatte der kleine Koalitionspartner FDP nicht erreichen können, und ein Sprecher des FDP-Justizministers und Ausländerbeauftragten Ulrich Goll konnte sich nur darauf zurückziehen, die Fragen aus dem Leitfaden würden ja nicht nur Muslimen gestellt. Ein Sprecher von Innenminister Heribert Rech (CDU) sagte auf taz-Nachfrage, nicht zwangsläufig alle Muslime müssten mit Fragen aus dem Leitfaden rechnen. Auf den Muslimen liege aber besondere Aufmerksamkeit. So weit die Beschwichtigungslinie.

Doch während Oettinger in Stuttgart alle auf Linie hat und die ganze Debatte angesichts der Landtagswahl am 26. März offenkundig für gar nicht so verkehrt hält, sind die Türken in der CDU aufgebracht. Sie haben ihm einen dreiseitigen Brief geschrieben und verlangen, die Praxis zu stoppen: „Ausgrenzung durch Generalverdacht“, „Vorurteile werden geschürt“, „Förderung der Entfremdung“. (siehe Interview)

Dem Forum gehören nur etwa 400 Christdemokraten an, aber der Ton ist für ein Schreiben unter Parteifreunden scharf. Zudem könnten die Türken Oettinger Ärger im Wahlkampf machen: Der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums, Bülent Arslan, droht mit einer Unterschriftenaktion. CDU-Unterschriften zu Einwanderungsfragen, das erinnert an die Doppelpasskampagne von Roland Koch. Mit einem Unterschied: Koch war Urheber, Oettinger wäre das Ziel.

CDU gegen CDU – Wolfgang Bosbach, Vizechef der Union im Bundestag, versuchte zu beruhigen: „Ich würde Herrn Arslan dringend empfehlen, mit Herrn Rech oder Herrn Oettinger zu sprechen, bevor er eine Kampagne startet“, sagte er der taz.

Bosbach, der das Zuwanderungsgesetz mitverhandelt hat, hält das Anliegen des Gesprächsleitfadens für legitim. Es müsse erlaubt sein herauszufinden, ob das Bekenntnis zur Verfassung ernst gemeint sei. „Der Erwerb einer Staatsangehörigkeit ist etwas anderes als die Mitgliedschaft in einem Tennisverein.“

Jedoch scheint auch Bosbach nicht überglücklich über die Idee aus Stuttgart: Er bezweifle, dass eine Behörde die Einbürgerung verweigern könne, nur weil jemand Schwimmunterricht für Mädchen ablehne. „Was machen wir mit denjenigen, die aus Sicht des Bundesgesetzgebers alle Voraussetzungen zur Einbürgerung erfüllen, aber aus Sicht der Autoren des Fragebogens drei oder vier Fragen unkorrekt beantworten? Kann man ihnen die Einbürgerung verweigern? Da habe ich Bedenken.“

Verhagelt die Debatte Oettinger den Wahlkampfstart oder mobilisiert sie alt eingesessene CDU-Kundschaft? Die Diskussion bediene natürlich eine traditionelle Klientel der Partei, sagte ein Mitglied des CDU-Landesvorstands Baden-Württemberg. Die fänden den Leitfaden gut. „Aber was, wenn die sich die Fragen zur Homosexualität anschauen?“ Frage 30 lautet: „Was halten Sie davon, dass in Deutschland Homosexuelle öffentliche Ämter bekleiden?“ – „Viele von unseren Leuten“, sagt der Christdemokrat, „würden da selber durchrasseln.“