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KEINE CHANCE FÜR DIE LIBERALISIERUNG DER HAFENDIENSTLEISTUNGENWettbewerb zwischen Theorie und Praxis

Die geplante Seehafenrichtlinie der EU ist ein Beispiel dafür, dass es unsinnig ist, auf Deubel komm raus zu liberalisieren. Die wenigen Befürworter führen mehr oder weniger pauschal ins Feld, mehr Wettbewerb führe zu besseren und billigeren Dienstleistungen. Doch die Praxis sieht anders aus, da sind sich die Hafenbetriebe und die Gewerkschaften einig. Und, erstaunlich: Selbst der Verband Deutscher Reeder ist sich nicht sicher, ob unterm Strich die Liberalisierung lohnt.

Bereits heute gibt es Wettbewerb innerhalb und zwischen den europäischen Häfen. Wer einen Container aus- oder einführen will, kann sich dafür die unterschiedlichsten Landungsplätze aussuchen. In vielen Häfen konkurrieren überdies mehrere Terminalbetreiber miteinander. Dazu kommt das starke Umschlagwachstum in den nächsten Jahren: Die Häfen werden neue Terminals eröffnen, die dann ohnehin ausgeschrieben werden müssen, sodass der Wettbewerb ganz ohne Richtlinie zunehmen wird. Eine Marktöffnung im Sinne der Richtlinie könnte dagegen die Konzentration fördern: Wenn sich finanzstarke multinationale Containerfirmen im großen Stil in Europa einkauften, gäbe es weniger statt mehr Wettbewerb.

Regelmäßige Ausschreibungen für alle Dienstleistungen und bestehende Umschlaganlagen würden den Hafenbehörden viel Arbeit machen und hohe Kosten verursachen. Das Interesse der Terminalbetreiber, ihre Strukturen auf dem neuesten Stand zu halten, nähme ab, je mehr sich ihre Konzession dem Ende nähert. Und neue Investitionen müssten gegen einen Verlust der Konzession abgesichert werden – das könnte teuer werden.

Die Liberalisierung der Dienstleistungen am Kai ist für die Reeder nur in Nischen interessant, etwa beim Verladen von Autos im Roll-on-roll-off-Verfahren. Dass sich etwa Containerschiffe selbst abfertigen, wird selten vorkommen: Ein paar mithelfende Besatzungsmitglieder würden die eingespielte Zusammenarbeit am Kai durcheinander bringen – sodass die Umschlaggeschwindigkeit sänke und am Ende überhaupt nichts gewonnen wäre. GERNOT KNÖDLER

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