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Archiv-Artikel

Keine Bestrafung der Suizidhilfe

STRAFRECHT Die organisierte Hilfe zur Selbsttötung bleibt straffrei. Denn die Koalition ist uneins, wie weit ein Verbot gehen soll

Bislang ist Beihilfe zur Selbsttötung straflos, weil auch der Suizid selbst keine Straftat ist

VON CHRISTIAN RATH

KARLSRUHE taz | Die Hilfe zur Selbsttötung wird nun doch nicht bestraft. Die Koalition von Union und FDP kann sich nicht einigen, wie weit das Verbot gehen soll, und gibt das Projekt deshalb vorerst auf. Das erklärte Günther Krings, der zuständige CDU-Fraktionsvizevorsitzende, jetzt bei einer Veranstaltung der Justizpressekonferenz in Karlsruhe. Krings bedauerte dies aber ausdrücklich.

Bislang ist die Beihilfe zur Selbsttötung in Deutschland straflos, weil auch der Suizid selbst keine Straftat ist. Wer einem Sterbewilligen zum Beispiel ein tödliches Medikament besorgt, bleibt straffrei. Entscheidend ist, dass der Sterbewillige selbst das Medikament einnimmt. Als aktive Sterbehilfe ist nur strafbar, wenn eine andere Person das tödliche Medikament einträufelt oder mit einer Spritze verabreicht.

Ein Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sah nun vor, das Strafrecht zu verschärfen. Die „Förderung der Selbsttötung“ sollte mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden, sofern sie „gewerbsmäßig“ erfolgt.

Dazu sollte es schon genügen, wenn etwa gewerbsmäßig Kontakte zu Suizidhilfe-Organisationen in der Schweiz vermittelt werden. Das schwarz-gelbe Kabinett hatte dem Entwurf zugestimmt.

Einer Mehrheit in der CDU-Fraktion ging dies aber nicht weit genug. Sie wollten schon die „geschäftsmäßige“, also regelmäßige Hilfe zur Selbsttötung bestrafen. So sollte verhindert werden, dass Organisationen wie Dignitas oder Sterbehilfe Deutschland von Roger Kusch weiter arbeiten können, indem sie zum Beispiel nur die Erstattung von Kosten verlangen. Auch die Kirchen und Ärzte-Organisationen verlangten eine Verschärfung des Regierungsentwurfs.

Die Justizministerin lehnte das ab. Für sie ist die Verschärfung des Strafrechts ohnehin „keine Herzensangelegenheit“, wie sie betonte. Sie konnte sich darauf berufen, dass im Koalitionsvertrag nur die Bestrafung „gewerbsmäßiger“ Suizidhilfe vorgesehen ist.

Weil sich die Koalitionspolitiker nicht einigen konnten, wird das Strafgesetzbuch nun gar nicht geändert. Das heißt, die organisierte Hilfe zur Selbsttötung bleibt in Deutschland bis auf weiteres straffrei.

Das hatte sich schon in den letzten Tagen angedeutet. Kanzlerin Angela Merkel sagte in einem Interview mit der katholischen Bistumspresse, dass sie für Regelungen, die über den Koalitionsvertrag hinausgehen, „zurzeit noch keine Mehrheit“ sehe. „Wir sollten uns deshalb die Zeit nehmen, dafür doch noch eine Mehrheit zu finden“, so Merkel.

Günther Krings sagte jetzt, dass das Thema in dieser Wahlperiode politisch vom Tisch ist. Er hält das allerdings für falsch, weil es auch nach der Wahl keine Aussichten gebe, mit einer anderen Partei die CDU-Wunschposition durchzusetzen. Der Regierungsentwurf hätte zumindest ein Signal gesetzt, dass die Hilfe zur Selbsttötung „nie eine normale Dienstleistung“ werden könne. „Diese Chance dürfte nun auf lange Zeit verloren sein“, monierte Krings.