: „Mit einem Restrisiko muss man leben“
Ansteckungen mit Vogelgrippe sind weiter verbreitet als gedacht – aber wohl auch nicht so gefährlich
taz: Viel mehr Menschen als bislang bekannt sollen mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert sein, sagen schwedische Forscher. Kommt nun die befürchtete weltweite Seuche?
Christian Drosten: Die Seuche droht, wenn das Virus so mutiert, dass es von Mensch zu Mensch überspringen kann. So weit ist es noch nicht. Aber mehr infizierte Menschen bedeuten für das Virus mehr Chancen sich so zu verändern.
Erschreckt Sie die neue schwedische Studie also?
Nein. Sie liefert nur einen weiteren Hinweis auf einen längst vermuteten Sachverhalt: Es wäre eine sehr große Ausnahme, wenn die Infektion mit H5N1 nicht wie jede andere Viruserkrankung viel öfter milde verläuft als dramatisch. Da muss es eine Menge unbemerkte Fälle geben. Nur gab es dazu bislang so gut wie keine Daten. Übrigens haben auch die Schweden lediglich Interviews mit möglichen Betroffenen in vietnamesischen Vogelgrippegebieten durchgeführt und keine virologischen Tests.
Wenn die Infektionen gar nicht sichtbar werden – kann man da die Ausbreitung überhaupt seriös verfolgen?
Vergessen Sie nicht, dass die Vogelgrippe weiterhin eine Tierseuche ist. An den Zuchtbeständen lässt sich gut beobachten, wann eine Erkrankung auftritt.
Wie erkenne ich ein krankes Huhn?
Es steckt sofort den ganzen Bestand an. Die Tiere werden lethargisch, die Beine und Kämme färben sich blauschwarz.
Ist eine Impfung sinnvoll?
Impfungen sind bei Tieren, die noch geschlachtet und verkauft werden sollen, nicht praktikabel: In Labortests ist der Antikörper, der sich dabei bildet, nicht von Antikörpern nach einer Infektion zu unterscheiden. Zudem besteht die Gefahr, dass der Impfstoff nicht effizient wirkt. Dann überlebt das Virus, mutiert nur schneller und wird gefährlicher als ohne Impfung.
Bundesverbraucherminister Horst Seehofer will die Hühner in Deutschland wieder einsperren. Nützt das?
Das Virus kann von Wildvögeln auf frei lebende Tiere übertragen werden. Die Zugzeit ist von Februar bis Mai. Da muss man jetzt anfangen, wenn man vorbereitet sein will.
Das Virus soll – etwa in Vogeldreck – tagelang überleben. Müsste man nicht alle aus der Türkei Einreisenden durch Desinfektionsschleusen schicken?
Es gibt sicher ein theoretisches Risiko, das zugegebenermaßen schwer zu beziffern ist. Aber damit muss man leben können.
INTERVIEW: BEATE WILLMS