: Der Mit-Gestalter
DESIGN VON NEBENAN (VIII) Der Bremer Bernd Bartelmeß entwirft Empfangstresen für Großkonzerne, aber auch Eingangsbereiche für Privatleute. Seine Kunden sollen bei alldem möglichst viel selbst entscheiden
Warum soll, wer am Arbeitsplatz zum Wasserspender geht, eigentlich auf Stil verzichten? Das fragte sich Bernd Bartelmeß – und entwarf als Ersatz für die bollerigen Kunststoff-Container eine Reihe von Wasserbars, die Leitungswasser zapfen, kühlen und nach Wunsch mit Kohlensäure versetzen, ausgestattet mit echten Gläsern statt schnöden Plastikbechern. Das sei hygienischer, sagt der 39-Jährige, gesünder auch – Stichwort: chemische Weichmacher – und nicht zuletzt eben schicker.
Spätestens mit der Übernahme der Bremer Firma Schiele im vergangenen Jahr hat der gelernte Architekt Bartelmeß sein Tätigkeitsfeld auf Inneneinrichtungen und Möbeldesign ausgedehnt. Der Einstieg in das bundesweit agierende Unternehmen habe etwas von einer Existenzgründung gehabt, sagt Bartelmeß: Die Bindung des vorigen Inhabers zu seinen Kunden sei eine enge gewesen, mancher Stammkunde habe den neuen Chef zunächst etwas misstrauisch beäugt. Letztlich seien aber alle wiedergekommen.
Für Bartelmeß ist die viel zitierte „Nähe zum Kunden“ keine bloße Floskel: Am liebsten, sagt er, entwickele er die Lösungen im Dialog – „das gibt die befriedigendsten Ergebnisse“. Ob er nun einen Resthof aufmöbeln oder einen Empfangsbereich gestalten soll: Zu Beginn, sagt Bartelmeß, sei es ein „freies Spiel der Kräfte“ zwischen ihm und dem Kunden, ein Mosaik aus Wünschen, Vorstellungen, Notwendigkeiten und Machbarem. Je nachdem, wie sehr sich der Kunde einbringen möchte: Während Geschäftsleute „eher lösungsorientiert“ seien, ihn also größtenteils „machen“ lassen, hätten Privatleute häufig stärkeres Interesse am Mitgestalten.
„Am Anfang liegt ein Stück Papier auf dem Tisch, dazu viele Stifte in allen Farben“: Die Individualität des Kunden legt den Rahmen fest – manche, sagt Bartelmeß, wollen „bei jeder Schraube mitzeichnen“, andere machen grobe Vorgaben, stimmen sie mit den Möglichkeiten ab und lassen ihn die Einzelheiten ausarbeiten. Beim folgenden „Realitätscheck“ allerdings sei mancher Traum zum Platzen verurteilt: Wenn etwa die Vorstellung eines Kunden statisch nicht machbar ist: „Da fließt auch schon mal die eine oder andere Träne.“
Bartelmeß folgt einem ganzheitlichen Ansatz und berücksichtigt auch Aspekte wie Energiefluss und Dynamik, will den Kunden seine Sichtweise aber keineswegs aufzwingen. Er bewerte ihre Wünsche nicht – nicht mal, wenn er etwas eher kritisch sieht: „Zu sagen: ‚Nach Feng Shui dürften Sie sich in diesem Raum aber gar nicht wohlfühlen‘, funktioniert nicht“, sagt er. Aber er weist dann doch darauf hin, wenn er einen bestimmten Raum eher als Schlaf- oder als Arbeitszimmer sieht.
Bartelmeß entwirft Einrichtungen für Arztpraxen und Bioläden, Empfangsbereiche für große Firmen, ganze Geschäftsetagen, aber auch Schanktresen für Bistros oder Küchenzeilen für Büros und Privathaushalte. Für den Frühstücksflockenhersteller Kellogg’s designte er einen Empfangstresen in Form einer Müslischale. Er hat eine Vorliebe für runde Formen und das Material Holz, was auch damit zusammenhängt, dass er mit verschiedenen Tischlereien zusammenarbeitet. Als Architekt wiederum saniert er Altbauten oder verpasst einem Haus in der Nachbarschaft eine Jugendstilveranda.
Ob er jetzt eher Architekt oder mehr Inneneinrichter sei? „Gute Frage“, sagt Bartelmeß, eigentlich beides – draußen Architekt, im Innenbereich Designer. Irgendwann wachse das zusammen, mutmaßt er: „Dann werden die Objekte von außen nach innen durchgeplant. Oder eben andersherum.“
Nach den Wasserbars plant er als nächstes eine eigene Reihe zertifizierter Ökomöbel. Das Thema Gesundheit werde immer wichtiger, auch und gerade am Arbeitsplatz, sagt Bartelmeß. Er glaubt, dass sich in diesem Zusammenhang langsam ein Bewusstseinswandel vollzieht: „Mitarbeiter sind schließlich Kapital, nicht Material.“ Und die Wertschätzung für die Mitarbeiter fängt mitunter schon beim Glas Wasser an. MAIK NOLTE