: Wie ein Mantel eine Hose wird
NACHHALTIGKEIT II In der Modebranche gibt es verschiedene Wege, ökologisch zu arbeiten: Die einen setzen wie die Designer „Schmidttakahashi“ auf Recycling, die anderen auf Biostoffe
Nachhaltig, ökologisch, sozialverträglich sind Begriffe, die uns täglich um die Ohren fliegen. Auch in der Modebranche, die bekannt dafür ist, billige Arbeitskräfte im Ausland auszubeuten und gesundheitsschädliche Bleichmittel bei der Produktion einzusetzen. Bei Eco-Fashion, wie nachhaltige Mode auch genannt wird, soll das anders sein: Mode aus ökologisch hergestellten und fair gehandelten Stoffen. Oder die altbewährte Methode Recycling. Dabei wird alte Kleidung wiederverwendet, um Ressourcen zu sparen.
Das Berliner Designerteam Eugenie Schmidt und Mariko Takahashi hat mit Recycling sein eigenes Label, „Schmidttakahashi“, gegründet. An verschiedenen Standorten haben die beiden Altkleidercontainer aufgestellt. So machen sie etwa aus einer alten Daunenjacke einen Mantel, dem zusätzlich die Taschen eines Blazers, der Kragen eines Regenmantels und die Ärmel eines Wollpullovers angenäht werden. Zusammen ergibt das ein „Unikat“ – so nennen Schmidttakahashi ihre Kollektion, die ausschließlich aus Altkleidern besteht. Darüber hinaus stellen sie Kopien dieser Unikate her, Duplikate, die in größerer Stückzahl nachproduziert werden und den Designerinnen finanziell als Standbein dienen. Bei den Duplikaten „versuchen wir nur Stoffe, die mit dem Gots-Siegel versehen sind, einzusetzen“, sagt Eugenie Schmidt.
Gots ist eines der bundesweit etwa 20 Siegel für ökologische Stoffe. Diese „Siegelvielfalt und ihre unterschiedlichen Kriterien führen zu Missverständnissen beim Verbraucher“, kritisiert Heike Scheuer vom Internationalen Verband für Naturtextilwirtschaft e.V. (IVN). Die strengsten Richtlinien hat das von IVN entworfene Best-Siegel. Bei Best müssen Kleidungsstücke zu 100 Prozent aus Biofasern bestehen und müssen die sozialen Kriterien stimmen, das heißt, die Arbeiter müssen unter anderem gerecht bezahlt werden.
Der zweite Ansatz zu nachhaltiger Mode beruht also auf Biostoffen. Einfach ist das nicht. „Bei Wolle liegt die Auswahl fast bei null“, sagt Schmidt. Außerdem müsse man in großen Mengen bestellen, „ab 1.000 Meter. Das können wir uns nicht leisten.“ Vor drei Jahren hat daher „Lebenskleidung“ in Berlin eröffnet – ein Zwischenhändler, der mehrere Bestellungen annimmt, bis die Mindestbestellmenge erreicht ist. Online kann man die Biostoffe ab 10 Metern vorbestellen oder im Lager vor Ort kaufen. Mehr als 1.000 registrierte Mitglieder hat Lebenskleidung laut Pressesprecher Enrico Rima weltweit, fast 5 Prozent davon sind Berliner.
Ihre Kundschaft sind vor allem die ein Dutzend Ladenbetreiber in Berlin, die Eco-Fashion anbieten. „Slowmo“ etwa setzt zu 100 Prozent auf kontrolliert ökologische und fair gehandelte Stoffe und produziert ausschließlich in Deutschland. In Berlin verkaufen sie ihre Produkte in fünf Läden. Das Charlottenburger Label „Speak Up!“ entwirft Eco-Kleidung auch für Kinder und druckt darauf Slogans, wie „I will save the world“.
Ob Eco-Fashion noch eine Nischenerscheinung oder schon ein Trend ist, lässt sich anhand der Wirtschaftszahlen nicht beurteilen. Während die Berliner Modebranche 2008 noch 1,6 Milliarden Euro Umsatz einspielte, waren es 2010 bereits 2 Milliarden, heißt es aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Etwa 18.500 Menschen sind in dieser Branche beschäftigt. Welchen Anteil daran nachhaltige Mode ausmacht, lasse sich jedoch weder national noch bezogen auf Berlin einschätzen.
Den häufig geäußerten Vorwurf, Green-Designer schafften elitäre Mode, die sich nur betuchte Berliner leisten können, weist Designerin Eugenie Schmidt zurück. Sie glaubt nicht, dass der Preis entscheidend ist. „Es kommt darauf an, wie oft man den Blazer wechselt: Will sich jemand jede Woche einen neuen Auftritt verschaffen und dafür einen anderen Blazer tragen oder für die nächsten zwei Jahre ein qualitatives Stück kaufen?“ Das sei die entscheidende Frage.
MIMOZA TRONI
■ Infos: www.schmidttakahashi.de, www.lebenskleidung.com, www.slowmo.eu