: Wie fair wird hier gespielt?
NICHT BLOSS KINDERKRAM Zertifikate für Spielzeug stellen sicher, dass zu menschenwürdigen Bedingungen produziert wird. Es gibt Fortschritte, doch Kunden haben kaum Orientierungsmöglichkeiten
Kinder brauchen Spielzeug. Dieses wird meistens in China hergestellt und exportiert. Schätzungsweise 70 bis 80 Prozent der international gehandelten Spielwaren stammen aus dem Reich der Mitte, insbesondere aus der Küstenprovinz Guangdong. In den rund 4.000 Fabriken wird wie so oft in China unter problematischen Bedingungen produziert: niedrige Löhne, unzureichende soziale Standards, schlechte Arbeitsbedingungen. Zwei Großbrände mit vielen Toten in einer chinesischen und einer thailändische Fabrik im Jahr 1993 waren der Anlass für den Versuch, die Arbeitsbedingungen und Sozialstandards in den Spielwarenfabriken zu verbessern. Dazu verabschiedete der Weltverband der Spielzeugindustrie (ICTI) Mitte der 1990er Jahre einen Verhaltenskodex für die Branche.
Der Kodex setzt Mindeststandards und beruht auf Selbstverpflichtungen der produzierenden Firmen. Der Kodex verlangt von den Fabriken, die Menschenrechte umzusetzen, extrem lange Arbeitszeiten, sehr geringe Löhne und Kinderarbeit abzuschaffen, Sozialleistungen anzubieten sowie die weitreichenden nationalen Gesetze zum Arbeitnehmerschutz zu beachten, was insbesondere in China oft nicht gewährleistet ist.
Im Jahr 2003 wurde dieser erste branchenweit „gültige“ Kodex um ein Programm ergänzt, mit dem Spielzeugfabriken sich zertifizieren lassen können, vorausgesetzt sie erfüllen die Anforderungen. Deren Einhaltung wird durch regelmäßig wiederkehrende Kontrollen überwacht. Eine entsprechende Kennzeichnung von Spielwaren gibt es nicht. Verbraucher können sich allerdings erkundigen, ob sich ein Hersteller erkennbar für vernünftige Arbeitsbedingungen und Sozialstandards einsetzt. Einen Firmenüberblick gibt das Projekt „Fair spielt“ des Vereins Werkstatt Ökonomie auf der Webseite woek.de unter der Rubrik „Hintergrund“.
Der Kodex und die Zertifizierung von Herstellern hat einiges bewirkt. Die Arbeitsbedingungen und der Gesundheitsschutz in den Fabriken haben sich merklich verbessert. Jedes Jahr führen unabhängige Institute weit mehr als 1.000 Überprüfungen von Spielwarenherstellern durch. Zugleich wird die Arbeit des Industrieverbandes ICTI mit Sitz in Hongkong kritisiert. „Der ICTI-Kodex existiert schon seit 1995. Eigentlich müssten wir viel weiter sein“, sagt Jürgen Bergmann vom Nürnberger Bündnis Fair Toys. Er beklagt, dass es kaum unangekündigte Kontrollen in den Fabriken gebe, so dass immer wieder Betrugsfälle bei den Überprüfungen vorkämen. Manche Anbieter hätten ein verbindliches Datum angekündigt, ab dem sie nur noch Spielgerät von zertifizierten Firmen vertreiben würden. Doch auch diese Selbstverpflichtung werde nicht überprüft. „Die Spielwarenindustrie steht kaum hinter dem Kodex“, fasst Bergmann zusammen. Es fehle insbesondere an öffentlichem Druck und Kampagnen, so dass die Fabriken nicht die handfesten Vorteile einer Zertifizierung und der Einhaltung des Kodex sehen würden. Die bisherige Arbeit des ICTI müsse in Zukunft durch staatliche Gesetze inklusive finanzieller Strafen bei einem Fehlverhalten der Hersteller begleitet werden, fordert Bergmann. TILMAN VON ROHDEN