LESERINNENBRIEFE :
Wenn der Markt regiert
■ betr.: „Einwanderungsziel: Deutschland“, taz vom 8. 5. 13
Zu leugnen oder zu verheimlichen ist es nicht; die Spardiktate für einige Länder haben dazu beigetragen. Die regierende deutsche Politik setzt allerdings unbeirrt aller katastrophalen Wirkungen auf dieses untaugliche Rezept. Wenn Deutschland von gut ausgebildeten jungen Menschen aus den Ländern, die gern und viel gescholten werden, profitieren kann, so erklärt sich schon manches. Vieles findet zudem im Verborgenen statt und wird uns eher wenig vermittelt. Es ist Zynismus, anderen Ländern die Vorwürfe fehlender Wettbewerbsfähigkeit zu machen, zugleich aber diese schamlos zu schwächen, von ihnen kostenlos wertvolles Bildungs- und Wissenschaftspotential abzuziehen, ihre Zwangslage auszunutzen und gar kein Interesse an der Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder zu haben. Eigene Probleme und Versäumnisse auf Kosten anderer zu lösen, ist kein besseres Schmarotzertum. Das Grundproblem von Euro, Krise und vereintem Europa wird deutlich sichtbar. Wenn der Markt regiert, wo soll da Platz für Solidarität ,Gemeinschaft und gegenseitige Hilfe oder ehrliche Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit anderer sein? ROLAND WINKLER, Aue
Der 24. Versuch
■ betr.: „Die Scheu vor schweren Psycho-Fällen“, taz vom 8. 5. 13
Eine Stunde nachdem ich den Artikel über die Drückeberger-PsychotherapeutInnen gelesen hatte, kam der dritte Anruf an diesem Tag mit der Frage nach einem Therapieplatz. Ich hasse es, meine Standardauskunft geben zu müssen: Kein Platz im nächsten halben Jahr. Die Frau war verzweifelt: Das sei jetzt ihr 24. Versuch. Was sie denn noch machen solle? Die Krankenkasse habe gesagt, 50 Kilometer zu einem Therapieplatz seien zumutbar. Ich arbeite auch in einem dieser Bezirke, die mit PsychotherapeutInnen zu 130 Prozent „überversorgt“ sind und frage mich seit 25 Jahren, wie diese Zahlen errechnet werden.
Dass wir „Scheu vor den schweren Psycho-Fällen“ hätten, ist dummes Zeug. Die Krankenkassen bekommen von uns eine Diagnose mitgeteilt und die meisten KollegInnen geben aus wohlerwogenen Gründen nur etwas möglichst „Harmloses“ an. Beispielsweise stimmt „akute Belastungsreaktion“ fast immer. Dass die Person aber daneben eine rezidivierende schwere Depression mit Suizidimpulsen oder eine Persönlichkeitsstörung hat, wird weggelassen. Erstens aus Gründen der Datensparsamkeit (man weiß nie, wer die Unterlagen in die Hände bekommt). Zum Zweiten: PatientInnen, die zum Beispiel eine BU-Versicherung abschließen oder verbeamtet werden wollen, werden auch noch nach Jahren bei einer schweren Diagnose abgelehnt. Ich kann das mit den Diagnosen noch so handhaben. An dem Tag aber, wo wir nach der Schwere der Erkrankung der PatientInnen bezahlt werden, wird dasselbe passieren, was wir von den DRGs in Krankenhäusern schon kennen: Mit Hilfe von Programmen zur Diagnoseoptimierung wird rausgeholt, was rauszuholen ist. Billiger wird das nicht. Besser für die PatientInnen auch nicht.
URSULA NEUMANN,
Dipl.-Psych., Oberkirch-Bottenau
Zschäpe ist nur das Symptom
■ betr.: „Mein Vater hat Tote einkalkuliert“, taz vom 8. 5. 13
und immer noch bleibt die taz bei ihrer lesart von „pannen“ im zusammenhang mit den ermittlungen zu den NSU-morden. dies ist unerträglich, weil hierdurch die wahrheit, die opfer und die leser verhöhnt werden! die spatzen pfeifen es spätestens seit andreottis aussage zu GLADIO/„stay behind“ von den dächern, dass hinter den anschlägen von bologna und vielen anderen, der linken szene zugeschriebenen attentaten CIA-gesponserte „stay behind“-kämpfer mit ultra-rechtem hintergrund steck(t)en. was hält die „linke“ taz davon ab, die wirklich zur genüge existierenden gesicherten daten und zusammenhänge zu diesem themenkomplex zu reportagen zu verdichten, die nicht dieser unsäglichen „pannen“-legende das wort reden? statt dessen schwelgt auch die taz in subjektiven, abwertenden beschreibungen von b. zschäpes erscheinungsbild am ersten prozesstag, sowie beschämend nichtssagender, seitenlanger artikel ohne biss. eine b. zschäpe ist nicht das problem, sie ist nur symptom. und statt sie oberflächlich zu analysieren, würde es guttun, wenn den dingen, die dahinterstecken, mal auf den grund gegangen würde! LARS NEUSER, Kirchberg