This Flyer to fire

Hippen empfiehlt In dem für den Oscar nominierten „Up in the Air“ von Jason Reitman gibt George Clooney einen flugsüchtigen professionellen Rausschmeißer

Thematisch ist der Film ganz auf der Höhe der Zeit und Reitman beschreibt zynischen Verhältnisse, ohne dabei selber zynisch zu werden

Von Wilfried Hippen

Wo er zuhause sei, wird Ryan Bingham in einem Flugzeug gefragt. „Hier!“ lautet seine Antwort. Tatsächlich versucht er ein Leben mit möglichst wenig Bodenhaftung zu führen. Als professioneller Reisender lebt er in Hotels, Flughafenlounges und eben „Up in the Air“. Vor den 54 Tagen, die er durchschnittlich pro Jahr zuhause verbringt, graust ihm. Er weigert sich, durch Familie oder romantische Beziehungen geerdet zu werden und ist so auch ideal geeignet für seinen Job, der daraus besteht, dass er überall im Lande zu Betrieben reist, die gerade eine größeren Teil ihrer Belegschaft entlassen. Da die Manager dort zu feige sind, dies ihren Mitarbeitern selber ins Gesicht zu sagen, führt Ryan diese Gespräche en bloc. Dabei macht er seine Arbeit gut. Er ist psychologisch geschickt, nicht zu verlogen und alles andere als kaltherzig. Aber distanziert, denn nach getaner Arbeit fliegt er ja schnell wieder weg.

In einigen Momenten des Films wird das immer so natürlich scheinende Lächeln von George Clooney zu einer schnell vorgeschobenen Maske – dann erkennt man, was für eine mächtige Waffe sein legere Charme sein kann – und wie traurig diese perfekt organisierte Existenz letztlich ist, gerade weil sie so bequem und risikolos zu sein scheint. Zudem wird deutlich, wie geschickt hier vom Regisseur und dem Schauspieler selbst dessen Star-Aura eingesetzt, hinterfragt und ironisiert wird. Wenn uns schon einer rausschmeißt, dann sollte es doch zumindest George Clooney sein.

Natürlich wird Ryan unsanft aus seinem existentiellen Schwebezustand heruntergeholt, und für diesen Absturz sorgen zwei Frauen. Die Geschäftsreisende Alex bewegt sich in seiner Welt ebenso souverän wie er und ist ein so ebenbürtiger guter Kumpel, dass Ryan kaum merkt, wie sie langsam verdrängte Gefühle in ihm weckt. Und an der beruflichen Front muss er sich gegen die junge, hungrige Angestellte Natalie wehren, die seinem Chef einen Modernisierungsplan präsentiert, der Ryans größten Ehrgeiz, als der siebte Kunde überhaupt 10 Millionen Bonus-Flugmeilen zu sammeln („Es waren mehr Menschen auf dem Mond!“), drastisch vermindern würde.

Thematisch ist der Film ganz auf der Höhe der Zeit. Jason Reitman ließ Menschen, denen tatsächlich gerade gekündigt wurde, auf die rhetorische Tricks des Protagonisten reagieren. Aber nicht nur dadurch wirkt der Film so glaubwürdig und berührend. Alle Figuren sind komplex und mit einem guten Auge für menschliche Schwächen gezeichnet. Mit Vera Farmiga als abgebrühte Alex und Anna Farmiga als ehrgeizige Natalie ist die Besetzung perfekt, und das gilt auch für die Nebenrollen. So hat etwa der berühmteste Schnurbart von Hollywood, Sam Elliot, einen wunderbaren Kurzauftritt als göttlicher Pilot.

Reitman denkt hier wie schon in seinem Debütfilm „Thank you for Smoking“ die Mechanismen der Marktwirtschaft konsequent zu Ende: Wenn in der Rezession die Firmen massenhaft ihre Angestellten entlassen, wird dadurch eine große Nachfrage für jenen Service geschaffen, den Ryans Firma bietet. Aber auch diese wird die von der Modernisierung eingeholt und im Cyberspace sind Flugreisen ein Anachronismus. Diese zynischen Verhältnisse beschreibt Reitman, ohne dabei selber zynisch zu werden. Dazu gehört, dass er es sich und den Zuschauern nicht mit einem schlichten Happy End zu leicht macht. Stattdessen erzählt er mit einer abgeklärten Gelassenheit, durch die „Up in the Air“ immer eine ganz eigene Leichtigkeit behält. So ist dies seit langem die beste Komödie aus Hollywood – obwohl Reitman ohne herkömmliche Pointen auskommt.