: Familien teilen für Reiche
RÜCKSCHRITT Die Union hat ein neues Modell für das Ehegattensplitting bei der Steuer
Manchmal müssen WissenschaftlerInnen sich die Haare raufen. Jahrelang rechnen sie vor, dass eine Maßnahme nicht die gewünschte Wirkung erzielt – aber wenn es der Politik günstig erscheint, fordert sie diese trotzdem. So das Familiensplitting, das die Union derzeit als neueste Weisheit der Familienbesteuerung zelebriert.
Das Prinzip klingt gut: Das Einkommen der Eltern wird durch die Zahl der Familienmitglieder geteilt und dann versteuert. Und schon zahlt der ehemalige Hochverdiener nicht mehr seinen teuren Steuertarif, sondern rutscht auf der Steuertabelle nach unten in einen sehr kommoden Bereich. Klingt absolut familienfreundlich, das Ehegattensplitting scheint damit auch gerettet – alles Signale an die konservative WählerInnenschaft: Wir nehmen euch nichts weg, nur die Kinderlein fördern wir noch mehr. Toll. Allerdings haben WissenschaftlerInnen schon vor Jahren ausgerechnet, dass das Familiensplitting im Vergleich zu unsere jetzigen Freibetragssystem die armen Familien gar nicht entlastet: Viele junge Familien zahlen ohnehin wenig Steuern, weil sie von hohen Freibeträgen profitieren. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat das Familiensplitting bereits 2006 in mehreren Varianten durchgerechnet. Das Fazit der DIW-ForscherInnen: „Nur Familien mit drei oder mehr Kindern und sehr hohem zu versteuerndem Einkommen würden steuerlich stärker entlastet als im derzeitigen Familienleistungsausgleich. Keine steuerliche Entlastung ergäbe sich für Familien mit mehreren Kindern im unteren und mittleren Einkommensbereich.“ Mit anderen Worten: Die Familien, die Steuererleichterungen am nötigsten hätten, profitieren nicht vom Familiensplitting. Um das zu verstehen, müsste man sich unser Steuersystem etwas genauer ansehen und die Wirkungen der Freibeträge berücksichtigen. Tut die Union vorsichtshalber nicht. Fazit: Lupenreine Klientelpolitik für Reiche in familienfreundlichem Gewand. Für alle anderen: ein Rückschritt. HEIDE OESTREICH