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Archiv-Artikel

„Die denken mir viel zu provinziell“

INTERVIEW HENK RAIJER

taz: Herr Hoffmann, was hat Sie als Nordlicht und Schiffskapitän in die Eifel verschlagen?

Volker Hoffmann: Ich hatte eines Tages die falsche Seekarte dabei, und die hatte zwei Beine. Wegen meiner Frau bin ich vor 20 Jahren hierher gezogen.

Sie gelten als „Vater des Nationalparks Eifel“. Wie kamen Sie denn zum Naturschutz?

Wenn Sie zur See fahren, erleben Sie die Veränderungen der Umwelt viel stärker als an Land. Ich habe ja als Kapitän mitgekriegt, wie das Meer immer mehr zum Abfalltümpel verkam. Auch kommt man nach Jahren irgendwohin und stellt fest, dass dort inzwischen ein ganzer Wald verschwunden ist. Das hat mich zum Naturschutz gebracht.

„Natur Natur sein lassen“ lautet die Philosophie des Fördervereins Nationalpark Eifel, dessen stellvertretender Vorsitzender Sie sind. Im Falle der Burg Vogelsang, die mitten im Nationalpark liegt, geht es ja mehr um Bauwerke. Wie sollen die jetzt, nach Abzug der belgischen Streitkräfte, Ihrer Meinung nach genutzt werden?

Das Areal Vogelsang ist zwar umzingelt vom Nationalpark, gehört aber formal nicht dazu. Wir vom Förderverein sind der Meinung, dass es da rein gehört, zumindest was die wirtschaftlichen Perspektiven und möglichen baulichen Veränderungen anbelangt. Auch uns ist bewusst, dass sich die Burg nach erfolgter Konversion rechnen muss. Gibt es da eine gescheitere Lösung, als die künftige Nutzung der Vornutzung, also den baulichen Gegebenheiten anzupassen, anstatt Millionen teure Veränderungen durchzuführen, nur um die NS-Nutzung zu kaschieren? Vogelsang steht sowieso seit 1989 unter Denkmalschutz. Alles, was in den nächsten Jahren nach Maßgabe der Konversionspläne auf Vogelsang umgesetzt wird, muss nationalparkverträglich sein. Wann immer dort bauliche Veränderungen stattfinden sollen, muss geprüft werden, inwieweit das nationalparkverträglich ist. Vogelsang wäre nur halb so gut ohne den Nationalpark, und der Nationalpark wäre nur halb so gut ohne Vogelsang. Dieses Gelände ist was Besonderes, und daraus muss jetzt, wo die Belgier abgezogen sind, auch was Besonderes gemacht werden.

Die Euskirchener Linkspartei, die den „Tatort Vogelsang“ am Liebsten verfallen lassen beziehungsweise abreißen würde, fordert eine „klare, geschichtsorientierte Nutzung fernab wirtschaftlicher Verwertungsinteressen“...

Die Idee, Vogelsang abzureißen, ging auf den Radikalvorschlag des Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, zurück. Das ist inzwischen zum Glück vom Tisch. Nach Einschätzung von Denkmalschützern nimmt Vogelsang unter den früheren NS-Ordensburgen in Sonthofen und Krössinsee im heutigen Polen eine Sonderstellung ein. Sie gilt als einzig erhaltenes „Landschaftsdenkmal“ der NS-Zeit, das noch erlebbar ist. Der Gedanke an Abriss ist doch völlig ahistorisch, ja geradezu abwegig! Andererseits regt mich die Ausrichtung der vorlegten Nutzungskonzepte auf, mit denen man jetzt die Weichen stellen möchte. Darin haben mir zu sehr die Touristiker das Sagen. Da sind riesige Parkplätze auf dem Gelände vorgesehen, eine Gastronomie, in der täglich bis zu 6.000 Gäste durchgeschleust werden, grelle Reklamewände sollen die Leute von Attraktion zu Attraktion locken, für die sie dann auch noch einzeln blechen müssen. Die wollen die schnelle Mark machen, die Pläne sind nicht langfristig angelegt. Gäste, die nur abgezockt werden, kommen kein zweites Mal. Uns schwebt da eher Parken am Eingangstor vor, mit einem eigenen Shuttle-Service und einem einmaligen Eintrittsgeld von fünf Euro einschließlich Parkgebühr. Und ein Marktplatz mit altem Handwerk und gelegentlichen Künstlerauftritten.

Die Standortentwicklungsgesellschaft Ordensburg Vogelsang hat da ihre Ziele höher gesteckt...

Ja, klar. Als „Leuchtturm mit internationalem Renommee“ stellt sich deren Aufsichtsratsvorsitzender das Projekt der Zukunft vor. „Richtig schick muss Vogelsang werden“, diktiert der jedem Journalisten in den Notizblock. Gut, irgendwie muss da ganz klar eine Wirtschaftlichkeit rein, auch der Förderverein hat sein Nutzungskonzept von zwei Wirtschaftsinstituten gegenrechnen lassen. Schließlich können wir die Erhaltung, die schon jetzt pro Jahr 2,5 Millionen Euro verschlingt, nicht immer nur auf die Steuerzahler abwälzen. Aber das kann doch nicht alles sein.

Das Konzept des Planungsbüros Müller-Rieger, das seine Vorschläge jetzt einem Expertengremium vorgelegt hat, sieht Besucherrundwege, ein Nationalparkzentrum, Gastronomie, Künstlerateliers, Konferenzräume sowie Lernorte zur NS- und Regionalgeschichte vor. Geht das in die richtige Richtung?

Im Grunde hat das Planungsbüro die meisten der vom Förderverein ohne Millionenaufwand erarbeiteten Vorschläge übernommen. Eine unserer Kernforderungen war, dass da eine NS-Dokumentation rein gehört, eine angemessen große Gastronomie, ein Europazentrum für Jugend und Zukunft, ein Regionalmuseum, das Nationalparkzentrum, eine Akademie und ein Lernort zu Geschichte, Zukunft, Europa, Naturschutz und Nachhaltigkeit.

Da könnten Sie doch mit sich und den Perspektiven für Vogelsang zufrieden sein...

Halbwegs, ja! Wir stören uns nur daran, wie das konkret realisiert werden soll. So will Monika Müller-Rieger die NS-Architektur „brechen“, indem sie etwa den Turm Vogelsangs mit einem knallig-gelben Schriftzug „eifelturm“ versieht. Diese Form der von ihr intendierten „Dekonstruktion der ursprünglichen Bedeutung“ ist nichts anderes als eine plakative Verschandelung der Bauwerke und schlicht trivial. Das sollte man lassen. Dann soll das Hallenbad, das ein NS-typisches Schwimmermosaik an der Wand schmückt, in eine Bar umwandelt werden. Das ist doch unausgegorenes Zeug. Da halten es Brachialbrecher für unzumutbar, dass Kinder unterhalb eines Mosaiks mit germanischen Athleten unbekümmert schwimmen, während sie es sich gleichzeitig durchaus vorstellen können, an selber Stelle in einer Hallenbar Schampus zu trinken. Angeblich ist es Besuchern ebenso wenig zuzumuten, in der ehemaligen Schänke Kaffee zu trinken. Der Raum ist als Ausstellungsraum vorgesehen, der herrliche Blick auf den Stausee soll durch Schautafeln verdeckt werden. Nun, da breche ich so lange, bis das Genick von dem Ding gebrochen ist. Wenn ich Geschichte auf diese Weise breche, bleibt von der Authentizität nichts mehr übrig, dann brauche ich das den Leuten gar nicht mehr zu zeigen.

Finden Sie denn solcher Art Bedenken nicht legitim?

Nun, ich kann sie nachvollziehen, finde aber, dass man einem Mythos aufsitzt. Es handelt sich doch auf Vogelsang, abgesehen vom Mosaik in der Schwimmhalle, der Jägerdarstellung in der Bar und der Plastik „Fackelträger“ hinter den Kameradschaftshäusern, im Einzelnen gar nicht explizit um Nazi-Architektur. Die Schänke zum Beispiel ist im Stil der rheinischen Brauhausarchitektur der 1920er Jahre gebaut worden. Wenn ich das beanstande, muss ich halb Deutschland abreißen, in Berlin auch Regierungsgebäude. Die Architekten damals haben sich doch überall bedient. Erst der Gigantismus, die Dramaturgie in der Anordnung der Bauten, haben dem Ensemble Vogelsang ihren Stempel aufgedrückt.

Sie halten also nichts von dem Konzept, die NS-Geschichte zu „brechen“, um Vogelsang in eine Zukunft zu führen?

Die Geschichte ist doch längst gebrochen. Der erzieherische Effekt, den die Nazi-Ideologen durch die Anordnung von unten nach oben erzielen wollten, ist bereits verloren gegangen. Die wuchtige Herrschafts- und Landschaftsarchitektur ist nicht mehr sichtbar, ist zugewuchert. Da muss man schon historische Fotos zu Rate ziehen. Wir haben, im Gegensatz zu den Leuten, die Geschichte partout „brechen“ wollen, begriffen, dass das erste Ausstellungsstück auf Vogelsang Vogelsang selbst ist. Durch bauliche Veränderungen von Originalen zerstört man wichtige Ausstellungsstücke, angeblich um Besucher vor einer möglichen Indoktrinierung zu schützen. Was dabei jedoch herauskommt, ist eher eine Banalisierung der Geschichte. Die Diskussion um die Brechung der Geschichte muss im Übrigen auf breitester Ebene geführt werden, die Region muss mitgenommen werden. Durch die selbstherrlichen Vorgaben der Entwicklungsgesellschaft fühlen sich die Leute, die bisher stets engagiert mitdiskutiert haben über Nationalpark und Burg Vogelsang, glatt verarscht. Lass die Region mit entscheiden, so wie beim Nationalpark-Logo. Dieses passt zwar auf jede Milchtüte, muss aber auch nicht unbedingt jedem gefallen. Hauptsache, die Leute haben darüber abgestimmt.

Wie wollen Sie sich weiter einmischen, damit das Ergebnis in einigen Jahren mehr in Ihrem Sinne ausfällt?

Einmischen werde ich mich auf jeden Fall, immer wieder, ich kann gar nicht anders, manchmal platzt mir fast der Hals bei so viel Ignoranz. Mein Vorschlag wäre, für Vogelsang einen internationalen Architektenwettbewerb auszuschreiben. Lassen wir mal andere ran, warum nicht einen Daniel Libeskind? Kann ich mir gut vorstellen. Die denken mir hier viel zu provinziell.