: Ab in den Billigknast
Opposition warnt vor „amerikanischen Verhältnissen“: Niedersachsens Regierung plant teilprivates Gefängnis
„Wären Sie bereit, gegen finanzielle Vergütung einen Strafgefangenen bei sich zuhause zu verwahren?“, fragten im Dezember als Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma verkleidete Mitarbeiter der Satire-Zeitschrift Titanic verdutzte Bewohner im hessischen Hünfeld. Außerdem, wo denn Platz für die Knackis wäre und ob die Hünfelder Scheckbetrüger, Heiratsschwindler oder Fahrerflüchtige bevorzugen würden.
Hintergrund der Aktion: Hessen betreibt in Hünfeld seit gut einem Monat das erste teilprivatisierte Gefängnis in Deutschland. Von den 210 Mitarbeitern der Knast GmbH gehören 116 zu einer britischen Dienstleistungsfirma, die als Hausmeister, Waschdienst und Ausbilder der Häftlinge fungiert. Weil das Land dadurch 15 Prozent der Gesamtkosten oder jährlich 660.000 Euro spart, kündigte Niedersachsens Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) gestern an, eine ehemalige Kaserne in Bremervörde auch zum Billigknast umbauen zu wollen.
Wenn die Anstalt mit 300 Plätzen im Jahr 2010 fertig sei, könnten andere JVAs im Nordwesten geschlossen werden, sagte Heister-Neumann. In Bremervörde würden keine Schwerkriminellen untergebracht, in der neuen JVA gelte „eine mittlere Sicherheitsstufe“.
Die Opposition findet den Plan gar nicht gut: Gegen „amerikanische Verhältnisse“ wetterte die SPD-Rechtsexpertin Elke Müller. In den USA betreiben Private bereits jedes zweite Gefängnis. Aber nicht nur das: Deren Angestellte sind oft ehemalige private Wachschützer.
Wenn solche „‘Schwarzen Sheriffs‘ gut ausgebildete Justizvollzugsbeamte ersetzen, schrillen bei mir alle Alarmglocken“, sagte Müller.
Wo Bedienstete Kontakt mit den Gefangenen haben – bei Bewachung und Betreuung, in der Küche oder der Wäscherei – müsse der Einsatz von Privaten „ausgeschlossen“ sein, forderte die Justiz-Politikerin.
Grundsätzliche Kritik auch von der Grünen-Fraktion: Der Ausbau von Haftplätzen, ob privat oder öffentlich, spare „dem Staat überhaupt kein Geld, sondern verursacht Kosten im zweistelligen Millionenbereich“, so deren Justizexperte Ralf Briese. Nur „eine moderne Haftvermeidungspolitik durch ambulante Angebote wie gemeinnützige Arbeit“ spare wirklich. Zudem erweise sie sich oft als „viel effektiver“.
ksc