: Wehmut im Welli
Das Umfeld des Eishockeyclubs Eisbären Berlin ist im Umbruch. Die neue Arena am Ostbahnhof kommt, doch die Anhänger wollen, dass die gute alte Stimmung erhalten bleibt
AUS BERLIN CHRISTIAN ZINGEL
Die Welle geht durch die Reihen. Riesige Transparente werden hochgereckt, Schals in allen Variationen geschwungen. Im Wellblechpalast in Berlin-Hohenschönhausen werden die Spiele der Eisbären Berlin choreografiert. Nur sonntags um 14.30 Uhr hat die Sache für echte Fans wie Papke einen Haken. „Für die Stimmung im Welli ist es nicht gut, wenn es ständig diese frühen Spielansetzungen gibt. Man hat noch seinen Gulasch im Magen und ist weniger motiviert.“
In letzter Zeit mehren sich die Stimmen der Eisbären-Ultras, die meinen, dass ihr Stadion keine uneinnehmbare Bastion mehr ist. Die Gründe für die Stimmungsschwankungen im einst in der Liga gefürchteten Palast aus Blech sind vielfältig. Den Fans fehlen die Lokalderbys mit den verhassten Berlin Capitals, denen im Jahre 2002 von der Deutschen Eishockey Liga (DEL) die Lizenz entzogen wurde. So groß damals die Schadenfreude über die Pleite des Konkurrenten war, der „geliebte Feind“ hat eine Lücke im System der begeisterten Anhänger hinterlassen.
Der erste Gewinn der deutschen Meisterschaft im vergangenen April, als im Finale der DEL-Rekordchampion Adler Mannheim bezwungen wurde, sorgte für monatelangen Jubel. Der große Triumph hat bei den eingefleischten Anhängern aber auch Spuren hinterlassen. In diversen Foren des Internets wird deutlich, dass die Nähe der Fans zu ihren Helden auf dem Eis nicht größer geworden ist. Außerdem stören sich viele an den „Event-Fans“, für die Eishockey vor allem Unterhaltung darstellt. Robert Papke, Mitglied im Fanclub „Supporters“, lehnt den Konsum von Eishockey unter Zuhilfenahme von typischen Großraumkino-Produkten wie Cola und Popcorn ab.
„Für viele Fans hat der Verein etwas Identität stiftendes. Nicht alle haben Arbeit, sparen sich die Stadionbesuche vom Mund ab und verzichten auf alles andere.“ Die Preisentwicklung im Wellblechpalast sieht Papke deshalb mit gemischten Gefühlen: „Bei uns sind die Stehplätze teurer als bei anderen Vereinen, weil die Halle so wenige Plätze bietet.“
Die US-amerikanische Anschutz Entertainment Group ist seit 1999 alleiniger Inhaber der Profiabteilung des Vereins. Fester Bestandteil des Projekts Eisbären war von Anfang an der Bau der Arena am Ostbahnhof. Nach zahlreichen Verzögerungen soll der neue Spielort der Eisbären im Sommer 2008 eröffnet werden. Moritz Hillebrand, Pressesprecher des Vereins, glaubt, dass der Standard, den der Club in den letzten sechs Jahren erreicht hat, weiter gefestigt wird: „Wir waren in den letzten vier Jahren die erfolgreichste Mannschaft im deutschen Eishockey.“ Er räumt jedoch ein, dass sich durch den Einstieg des neuen Gesellschafters der Charakter des EHC verändert habe: „Der Status des Underdogs ist weg, wahrscheinlich gefällt das nicht allen. Natürlich geht der Kult um den Verein durch die Entwicklungen des Umfelds flöten, das ist klar.“ Hillebrand ist sich allerdings sicher, „dass ein Anhänger, der die ganze Entwicklung mitgemacht hat, stolz auf seinen Verein ist“.
Die neue Heimat mit ihren 16.000 Sitzplätzen wird von den Fans mit gemischten Gefühlen gesehen, schließlich muss man sich dafür vom geliebten Welli trennen, außerdem ist die weitere Preisentwicklung nicht abzusehen. Die EHC-Fans haben in den neuen Stadien von Konkurrenzvereinen wie Köln mitbekommen, dass es schwierig ist, die Stimmung auf dem gewohnt hohen Level zu halten. In den Internetforen der Kölner Fans herrscht allgemeine Frustration über den neuen Standort Kölnarena. Manche Hardcore-Anhänger sehnen sich nach der guten Stimmung im Stadion an der Lentstraße zurück. Viele Berliner Anhänger wissen, dass die Anschutz-Gruppe den Club 1999 auch mit Hinblick auf den Bau der Arena vor dem finanziellen Aus bewahrt hat. Die Mehrzweckhalle mit dem EHC als Hauptnutzer soll Gewinne erwirtschaften.
Robert Papke hält die 25 Fanclubs des Vereins für kreativ genug, um die Stimmung auch später in der Arena wieder auf den alten Level bringen zu können. Die „Fanatics-Ost“, eine Gruppierung aus 60 bis 70 Unterstützern, hat sich genau das zur Aufgabe gemacht. Beim vorletzten Heimspiel gegen die Kassel Huskies haben sie ihren angestammten Block G verlassen und sind in den Block F umgezogen, um die Stimmung besser steuern zu können. Das Spiel ging zwar mit 3:6 verloren, trotzdem sollen weitere Aktionen folgen. Viel Unterstützung und Ausdauer werden die Eisbären auch in den nächsten Wochen brauchen.
Der Auftritt am Sonntag bei den Augsburger Panthern ist das vierte Spiel innerhalb von acht Tagen. Insgesamt muss der Meister bis zur Olympiapause in zwanzig Tagen noch achtmal ran. An der Geräuschkulisse der Fans wird es nach Ansicht Papkes nicht liegen: „Wir haben inzwischen mehr Trommeln als die ganze Liga zusammen.“