Radikale Schnitte, aber immer noch umstellt der männliche Körper den weiblichen: nikki s. lees Fotoserie „parts“

Man nehme eine berühmte Geste und systematisiere sie,lautet das Konzept von Nikki S. Lees Fotoserie „parts“ (Hatje Cantz Verlag, Stuttgart 2005, 88 Seiten, 64 farbige Abb., 29,80 Euro). Die berühmte Geste handelt von einer gescheiterten Liebe, an die man sich nicht mehr erinnern soll. Daher wird jedes Foto des einstigen Paares, das diese Liebe dokumentiert, um den Teil beraubt, der den Abtrünnigen zeigt. Ratsch, schon hat es den Verrat nie gegeben, schon ist man allein. Dummerweise neigen Paare, um ihre Verbundenheit zu demonstrieren, vor der Kamera dazu, sich zu umarmen oder Händchen zu halten. So bleibt am Verlassenen gern ein Rest des Fahnenflüchtigen kleben. Nikki S. Lee, 1970 in Kye-Chang, Korea, geboren, hat sich selbst in rund drei Dutzend harmonischer Paarsituationen inszeniert und davon schöne Abzüge mit einem klassischen weißen Rand gemacht. Anschließend entfernte sie den Teil des Fotos, das den männlichen Part des Paares zeigt, mit einem radikalen, sauberen Schnitt. Dennoch lässt sich – aus genannten Gründen – stets ein Stück des Mannes an ihrer Seite entdecken. Das sieht oft mehr nach fotografischer Ungeschicklichkeit aus, als nach dem großen Schlussstrich; vielleicht, weil der Riss bei ihr ein glatter Schnitt ist, den nur das Fehlen der weißen Umrandung verrät. Ob das ein Fehler ist, ist schwer zu sagen. Denn die Inszenierung des weiblichen Körpers, in die sich der männliche Körper hineindrängt, hält den Blick des Betrachters auch ohne sein Wissen um die demonstrative Geste, die einen Teil der Geschichte unterschlagen möchte, in Bann. Es scheint so natürlich, wie der weibliche Körper vom männlichen umstellt ist, erkennt man mit einigem Erschrecken. Wbg