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Archiv-Artikel

Ruhrgebiet wird Gott los

Nun ist es amtlich: Fast jede dritte Kirche im Ruhrbistum Essen wird dicht gemacht, jede zweite Stelle wird abgebaut. Auch Gotteshäuser von bekannten Architekten fallen dem Sparkurs zum Opfer

VON NATALIE WIESMANN

Fast hundert der 350 katholischen Kirchen im Ruhrbistum Essen werden in den kommenden drei Jahren geschlossen. Dies verkündete Ruhrbischof Felix Genn in einem Bischofswort, das am Sonntag in allen Pfarreien des Bistums verlesen wurde. Außerdem werden die knapp 260 Pfarrgemeinden im Bistum zu 42 Großpfarreien zusammengelegt. Hintergrund ist ein mit Hilfe der Unternehmensberatung McKinsey erarbeitetes Sparprogramm, mit dem das Bistum seinen Haushalt sanieren will: Bis zum Jahr 2009 soll jede zweite der derzeit 2.000 Stellen abgebaut werden.

Auch die anderen Bistümer in NRW und die beiden evangelischen Landeskirchen sind auf einem Sparkurs. Doch im Bistum Essen, mit knapp einer Million Mitgliedern das kleinste in NRW, ist die Lage besonders dramatisch: Seit seiner Gründung 1958 ist ein Drittel der Mitglieder ausgetreten oder verstorben. Finanzkräftigere Familien sind in nicht mehr zum Bistum gehörige Randgebiete des Reviers gezogen. Auch die hohe Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet führt zu Einkommensverlusten – Kirchensteuern werden nur von arbeitenden Christen erhoben. Nur noch rund 15 Prozent der Katholiken im Bistum besuchen regelmäßig die Gottesdienste.

Genn sagte gestern, er sei sich bewusst, dass seine Entscheidung „manche Enttäuschung“, „vielleicht sogar Verärgerung und Verbitterung“ hervorrufen werde: „Ich bin aber zuversichtlich, dass wir im Ruhrbistum mit Gottes Hilfe den Weg in die Zukunft gemeinsam gehen können.“ Kriterien für die Entscheidung für die neuen Pfarreien und verbleibende Kirchen sei die Lage der Gotteshäuser, die Größe der Gemeinden sowie das Alter der Kirchen gewesen. Weder die Lautstärke noch die Originalität vereinzelter Protestaktionen seien maßgebend gewesen, betonte Genn.

Eines der Gotteshäuser, das dem Sparprogramm zum Opfer fällt, ist die St.-Anna-Kirche in Duisburg. Die Gemeinde sei in den vergangenen zehn Jahren von 2.800 auf 2.200 Mitglieder zusammengeschrumpft, sagt ihr Pfarrer Thomas Quadt zur taz. „Außerdem ist das Gebäude wohl nicht alt genug“. St-Anna wurde 1953 von dem bekannten deutschen Architekten Rudolf Schwarz gebaut. „Wir haben für den Erhalt gekämpft“, sagt er enttäuscht. Es sei zwar für seine KirchgängerInnen objektiv kein Problem, eine der anderen nahe gelegenen Gotteshäuser zu besuchen, aber „das ist auch ein mentales Problem“: Viele Gemeindemitglieder hätten hier geheiratet und ihre Kinder getauft. Die Gemeinde wäre bereit gewesen, die Pfarrei für die Kirche aufzugeben, aber hätte sich damit nicht durchsetzen können. Um seine eigene Stelle macht sich Quadt aufgrund des Priestermangels keine Sorgen, „aber es werden Organisten, Küster und Sekretärinnen entlassen werden müssen.“ Auch in der von Rudolf Schwarz erbauten Bottroper Heilig Kreuz-Kirche soll keine Messe mehr stattfinden. Die Umwandlung zu einer Gaststätte oder Lounge wie zum Beispiel in Bielefeld möchte sich Pfarrer Johannes Knoblauch nicht vorstellen. „Wir wollen uns dafür einsetzen, dass der Bau wenigstens kirchennah genutzt wird.“