Evo Morales macht Eindruck

Mit gestärktem Selbstbewusstein beendet Boliviens gewählter Staatschef seine Weltreise. Oberstes Ziel: Wiedererlangung der Kontrolle über landeseigene Rohstoffe

PORTO ALEGRE taz ■ „Bolivien will Partner, keine Herren.“ Auch in Brasiliens Hauptstadt Brasília, der letzten Station seiner Weltreise, betonte Boliviens gewählter Präsident Evo Morales, dass sein Land die Kontrolle über die Rohstoffe wiedererlangen wolle. Wie schon zuvor in Europa, China und Südafrika erregte der Aymara-Indígena, der am kommenden Sonntag sein Amt antritt, Aufsehen durch seine legere Kleidung: Im warmen Brasilien trat er allerdings nicht im dicken Alpaka-Pullover oder Lederjacke auf, sondern in einem kurzärmeligen Hemd.

Für den Anthropologen Carlos Ostermann signalisiert Morales damit, dass es ihm weniger um das Formale gehe, als vielmehr „um die entscheidenden Themen“ – etwa um die Erdgaspolitik, an der seine beiden Amtsvorgänger Sánchez de Lozada und Carlos Mesa noch gescheitert waren.

Der brasilianische Staatskonzern Petrobrás kontrolliert in Bolivien 46 Prozent der Erdgasförderung. Er exportiert jährlich Erdöl und Erdgas im Wert von 700 Millionen Dollar nach Brasilien, hat praktisch das Monopol über die Raffinerien und ist für ein Viertel des bolivianischen Steueraufkommens verantwortlich.

Morales möchte jetzt die Rolle der einheimischen staatlichen Erdölgesellschaft YPFB stärken, die durch die neoliberalen Reformen der Neunzigerjahre ausgeblutet worden war. Der Petrobrás-Vorsitzende Sérgio Gabrielli kündigte an, künftig wolle man „Partner bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Boliviens“ werden und mit der YPFB zusammenarbeiten: „Besser weniger Gewinne als gar keine“, sagte Gabrielli.

Er zeigte sich erleichtert über die „Perspektive politischer Stabilität“ und Morales’ Versprechen, dass eine Verstaatlichung ausländischer Konzerne nicht auf der Tagesordnung steht. Ebenso wenig werde es zu einer automatischen Ausrichtung auf die Achse Havanna–Caracas kommen, versicherte Morales in Brasília.

Mit Washington strebt er einen „Dialog ohne Unterwerfung“ an, doch auch gegenüber seinem „älteren Bruder“ Luiz Inácio Lula da Silva signalisierte Morales Selbstbewusstsein: Die Vorteile einer Mercosur-Mitgliedschaft Boliviens will er erst noch prüfen. Von der liberalen Grundausrichtung der südamerikanischen Zollunion hätten bislang vor allem Minderheiten profitiert, sagte Morales, „und ich werde für die Mehrheit regieren.“

„Bolivien ist nicht allein“, zog Morales vorgestern in Cochabamba zufrieden Zwischenbilanz. Kuba sagte 5.000 Stipendien für Medizinstudenten und Know-how zum Aufbau einer umfassenden augenärztlichen Gratisversorgung zu. Venezuela liefert Diesel gegen Soja. Spanien will Bolivien einen „substanziellen Anteil“ seiner Schulden in Höhe von insgesamt 99 Millionen Euro erlassen.

Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac lobte Boliviens „demokratische Revolution“ und mahnte Rechtssicherheit für ausländische Investoren an. Und China winkt mit millionenschweren Investitionen im Energiebereich, im Bergbau und in der Landwirtschaft.

Morgen fliegt der frühere Kokabauern-Gewerkschafter nach Buenos Aires. Was er an Néstor Kirchner vor allem bewundert? Den „Erpressungsversuchen“ Washingtons trete der argentinische Präsident mit Würde entgegen, findet Evo Morales: „Die US-amerikanische Regierung muss den souveränen Willen der Völker respektieren.“

GERHARD DILGER