: Liberias fragile Fassade des Friedens
Heute wird Ellen Johnson-Sirleaf als Präsidentin vereidigt – das erste gewählte weibliche Staatsoberhaupt Afrikas. Die Erwartungen des geschundenen Landes sind hoch. Doch die Feier findet unter Ausschluss der Bevölkerung statt
AUS MONROVIA BASTIAN HÖHN
Heute ist ihr großer Tag und alle feiern mit: Neben den Vertretern der UNO, der Europäischen und der Afrikanischen Union kommen die Clintons und Condoleezza Rice aus den USA, selbst Oprah Winfrey und Laura Bush haben sich angekündigt. Zum ersten Mal wird mit Ellen Johnson-Sirleaf in Liberia eine Frau Präsidentin eines afrikanischen Landes. Nach 14 Jahren Bürgerkrieg gilt sie als Hoffnungsträgerin für ganz Westafrika.
Zwischen ihren Bodyguards wirkt sie klein, fast zerbrechlich, doch der Eindruck täuscht. Leicht hat die 67-Jährige es nie gehabt, schon in der Kindheit wurde sie aufgrund ihrer helleren Hautfarbe oft gehänselt. Die hat sie von ihrem Großvater – einem deutschen Kaufmann. Auch später musste sie kämpfen. Denn sie gehört nicht der Oberschicht ihres Landes an. Aber am 8. November setzte sie sich in der freiesten Präsidentschaftswahl der liberianischen Geschichte wider Erwarten gegen den Fußballstar George Weah durch.
Den Namenszusatz „Iron Lady“ trägt Ellen Johnson-Sirleaf, weil sie an ihren Zielen eisern festhält. Die Lage Liberias fordert auch einen bedingungslosen Einsatz: Nach 14 Jahren Bürgerkrieg ist eine ganze Generation ehemaliger Bürgerkriegssoldaten beschäftigungs- und vor allem ziellos.
In Buchanan, drei Autostunden von Monrovia entfernt, nehmen 250 Exkombattanten an einem sechsmonatigen Landwirtschaftsprogramm der UN teil. Morgens gibt es Unterricht, nachmittags heißt es ackern auf dem Feld. „Jeder erhält 30 Dollar monatlich“, sagt Direktor Rufus Kaine. Probleme gebe es keine – bis auf einen Tag im Dezember, als das Geld nicht pünktlich kam. Mit einem Mal kippte die Stimmung, der Direktor wurde als Geisel genommen und bedroht. Erst als am nächsten Tag das Geld aus Monrovia kam, ließen die Schüler ihn wieder frei.
Große Teile der Infrastruktur Liberias sind zerstört und selbst in der Hauptstadt Monrovia gibt es keine Strom- und Wasserversorgung. Mutig verkündete Johnson-Sirleaf im Wahlkampf, dass Monrovia in einem halben Jahr wieder Strom haben werde. Außerdem solle es in zwei Jahren in jedem Dorf Wasser geben. Solche Versprechen schüren gewaltige Erwartungen. Vielen geht der Wiederaufbau jetzt schon nicht schnell genug. Ehemalige Regierungssoldaten weigerten sich kürzlich, ihren Stützpunkt zu räumen, und forderten ausstehende Löhne. 5.000 Frauen gefallener Soldaten legten mit Sitzblockaden die Innenstadt von Monrovia lahm und verlangten Witwenrenten. Die Staatsbeamten protestieren: Für die Inaugurationsfeier wird eine Million Dollar verplant – und sie warten seit Monaten auf ihr Gehalt.
Seit Johnson-Sirleaf die Wahlen gewann, scheut sie sich vor konkreten Zusagen. Die größten Chancen auf Regierungsposten werden den Mitgliedern des Übergangskomitees, das mit Johnson-Sirleaf in den Wochen seit der Wahl zusammenarbeitet, nachgesagt. Darunter sind aber auch zwielichtige Gestalten, wie zum Beispiel der Finanzexperte Harry A. Greaves, der in den letzten Jahren etwa drei Millionen Dollar veruntreute. Oder der für Sicherheit zuständige Paul Mulba – ihm werden zahlreiche Kriegsverbrechen vorgeworfen, denn er war einer der Schergen des 2003 gestürzten Diktators Charles Taylor.
Doch die Vergangenheit lassen Liberianer heute lieber ruhen. Der einstige Warlord Prince Johnson, der 1990 zu Beginn des Bürgerkriegs den damaligen Präsidenten Samuel Doe vor laufenden Kameras zu Tode foltern ließ, wurde sogar als unabhängiger Kandidat in den Senat gewählt. Wie viele mutmaßliche Kriegsverbrecher im Parlament oder Senat betont er heute, dass jeder am Krieg teilgenommen habe und keiner sauber sei.
Heute wird erst einmal gefeiert. Doch auch das ist anders als sonst. Seit Wochen fegen, verputzen und streichen hunderte von Exkombattanten das Regierungsviertel und die Umgebung der Straße zum Flughafen. Doch die Einwohner werden nicht viel von den internationalen Gästen mitbekommen. Sie dürfen nicht mal in die Nähe der Feier, es gibt Straßensperren, und ganze Wohnviertel werden abgeriegelt. Hören sollen sie die Amtseinführung von Johnson-Sirleaf trotzdem: Statt mit 21 Gewehrsalven wird die neue Präsidentin aus Sicherheitsgründen mit 21 gewaltigen Trommelschlägen gewürdigt.