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Archiv-Artikel

Kein Vertrauen in Tegel und den Senat

FLUGLÄRM Auf einer Bürgerveranstaltung in Reinickendorf versucht eine Behördenvertreterin, die aufgebrachten TXL-Anrainer zu beschwichtigen – mit falschen Rechnungen und mäßigem Erfolg

Glaubt man Regine Rausch-Gast von Berlins Oberster Luftfahrt- und Luftsicherheitsbehörde, hat sich der Fluglärm in Tegel nur minimal erhöht: Die stark gestiegene Fluggastzahl – im Februar 2013 waren es 5,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor – wirke sich nur minimal auf die Zahl der Flüge aus. Die Referatsleiterin der Senatsumweltverwaltung will auf einer Informationsveranstaltung im Rathaus Reinickendorf am Montagabend den Zorn lärmbetroffener Anwohner besänftigen. Statt 169.000 Flugbewegungen wie 2011, so Rausch-Gast, seien es ein Jahr später 171.000 gewesen, „0,7 Prozent mehr“. Dass die Rechnung nicht stimmt, trägt nicht gerade zur Vertrauensbildung bei den rund hundert TeilnehmerInnen bei.

Warum aber haben die Menschen im Berliner Norden das Gefühl, der Fluglärm habe so enorm zugenommen? Rausch-Gast, die auf Einladung von Umwelt-Stadtrat Martin Lambert (CDU) gekommen ist, hat eine einfache Antwort parat: Die Betroffenen reagierten eben jetzt sensibler auf das Thema.

In der Folge muss sich die Senatsvertreterin vielen Fragen stellen. Ihre Antworten zeigen: Die Landesregierung hat zuletzt so gut wie nichts unternommen, um die TXL-Anrainer vor den schädlichen Auswirkungen des Fluglärms zu schützen. Seit den Neunzigern gab es keine Messungen der Wasserqualität im Umfeld, obwohl das Flugaufkommen sich etwa verdoppelt hat. Auch die Luftqualität wird nicht untersucht, Messstationen fehlen. Sie werde das in ihrem Referat anregen, sagt Rausch-Gast. Und obwohl sich die Fluggesellschaften oft nicht an die vorgegebenen Routen halten, gibt es keine ausgeweitete Lärmmessung im nun zusätzlich verlärmten Gebiet. Man richte gerade eine mobile Messstation ein, beschwichtigt Rausch-Gast. Die Zahl der Flugbewegungen – bis zu 52 pro Stunde dürfen über TXL abgewickelt werden – zu reduzieren, liege jedenfalls nicht in der Macht des Senats.

Die Veranstaltung ruft einige Fakten in Erinnerung: Der Nachtbetrieb in Tegel wurde nach der BER-Pleite ausgeweitet, für verspätete Flugzeuge werden großzügige Ausnahmegenehmigungen erteilt. Die Postflüge gingen vergangenes Jahr an Air Berlin und starten deshalb ebenfalls nachts von Tegel – nachts. Im März wurden 633 Flugbewegungen zwischen 22 Uhr und 6 Uhr gezählt. Die Lärmbelastung misst übrigens die Flughafengesellschaft selbst.

Was die Veranstaltung auch zeigt: Die Lärmbetroffenen – viele Ältere, stramme CDU-Klientel – wollen das alles nicht mehr hinnehmen. „Wir dachten immer, die Politik schützt uns“, sagt eine Frau. „Aber das hier ist Körperverletzung.“ Ein Mann meint, alles, was Rausch-Gast sage, zeige, „dass es nur um wirtschaftliche Interessen geht. Die Auslastung des Flughafens, die Auslastung der Maschinen, die Ausnahmegenehmigungen. Warum setzen Sie sich nicht für unsere Belange ein?“ Der Stadtrat wird aufgefordert, an Demonstrationen und Blockaden teilzunehmen. Demonstrationen ja, meint Lambert. Für Blockaden sei er nicht zu haben.

WALTRAUD SCHWAB

fluglaerm-reinickendorf.kdm13.de