„Der Preis ließe sich zehn Prozent senken“

Aachens Stadtwerke-Chef Dieter Attig tritt aus dem Branchenverband aus und fordert einen liberaleren Gasmarkt

taz: Herr Attig, warum fühlen Sie sich vom Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft nicht mehr ausreichend vertreten?

Dieter Attig: Wir streiten über den Zugang zum Gasnetz. Der Bundesverband findet, dass man das alte und wettbewerbsfeindliche Modell behalten sollte. Damit will der Verband seine alten Strukturen über die Runden retten. Wir Stadtwerke wollen einen freien Wettbewerb, damit wir frei Gas beschaffen können. Damit könnten wir unsere eigenen Kosten niedriger halten und das auch an unsere Kunden weitergeben.

Was erhoffen Sie sich von der Neuregelung des Netzzugangs durch die Bundesnetzagentur?

Wir hoffen auf das das so genannte Geode-Modell. Das funktioniert ähnlich wie das Zugangsmodell zum Strommarkt: Stadtwerke bekommen das Recht, selbst festzulegen, über welche Pfade sie Gas beziehen. Der Bundesverband will, dass die großen Verbundunternehmen den Weg unter sich ausmachen und das Gas einfach in den Städten abliefern. Das bedeutet für uns, dass wir keinerlei Einfluss auf das vorgelagerte Netz haben.

Wird es eine Schere geben: Hier die unabhängigen Versorger, die auf dem Markt einkaufen, und dort die anderen Stadtwerke, in die sich die Großunternehmen eingekauft haben?

Diese Schere ist jetzt schon da. Es gibt eine Minderheit von Stadtwerken, die auf dem freien Markt einkauft – und die Mehrheit, die immer noch kein Interesse daran hat, sich zu lösen. Früher oder später wird sie aber der Markt dazu zwingen: Die Stadtwerke müssen aus den langfristigen Verträgen aussteigen, um einen niedrigeren Gaspreis zu ermöglichen.

Um wie viel niedriger könnte der Preis sein, wenn die hohen Netzentgelte fallen?

Die Kosten für die Gasnetze machen etwa ein Drittel des Gesamtpreis aus – etwa zwei Drittel kann man nicht beeinflussen. Deshalb werden die Preise auch dann nicht schlagartig fallen, wenn man unser wettbewerbsfreundliches Modell des Netzzugangs anlegt. Die Erfahrung mit freien Märkten im Ausland haben aber gezeigt, dass man die Netzkosten im Verlaufe einiger Jahre um zehn bis zwanzig Prozent senken kann. Der Gesamtpreis ließe sich also maximal um zehn Prozent senken.

Andere kommunale Unternehmen bauen nun eigene Pipelines, um sich unabhängiger zu machen. Ist das ein Zukunftsmodell?

Es ist eine Notwendigkeit, dass Stadtwerke in die vorgelagerten Stufen investieren, sei es beim Gasleitungsbau oder beim Kraftwerksbau. Nur so kann man den großen Versorgern paroli bieten, die von der Erzeugung bis zur letzten Lampe alles in einer Hand haben.

INTERVIEW: KLAUS JANSEN