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Archiv-Artikel

Wulff will Bremens Hürden senken

Vor allem das Grundgesetz schützt Bremen bisher vor einer Zwangseingliederung in einen Nordstaat. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) will den „Bremen-Passus“ nun ändern – bei der Föderalismusreform. Bremer empört

Bremen/Hannover taz ■ Für eine Änderung des Grundgesetzes, um die Zahl der Bundesländer leichter reduzieren zu können, hat sich der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ausgesprochen. Eine Länder-Fusion solle auch dann möglich sein, wenn die Zustimmung in der betroffenen Bevölkerung geringer sei, als derzeit gefordert, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Dies könne etwa im Zuge einer zweiten Stufe der Föderalismusreform so festgeschrieben werden. Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) wies das Ansinnen seines Amtskollegen umgehend zurück: „Über Zukunft von Ländern müssen die Menschen das letzte Wort haben“, betonte er.

Die Regelungen für eine Neugliederung des Bundesgebietes sind seit 1992 in Artikel 29 Grundgesetz präzise festgehalten – unter anderem ein Verdienst des damaligen Bremer SPD-Bürgermeisters Klaus Wedemeier (siehe Text rechts). Demnach muss die Bevölkerung einer Länder-Fusion in einem Volksentscheid mehrheitlich zustimmen, und zwar getrennt in jedem der betroffenen Länder. Zugleich muss sich in jedem der Länder mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten explizit für das neue Bundesland aussprechen. Die vor Jahren auf politischer Ebene schon fest verabredete Fusion von Berlin und Brandenburg ist an diesen Anforderungen gescheitert.

Die unbedingt Bindung ans Plebiszit gilt auch für eine Länderneugliederung aus finanziellen Gründen, wie sie etwa das Bundesverfassungsgericht 1992 im Urteil zu den Bremer Sanierungshilfen als allerletztes Mittel skizzierte. Böhrnsen bezeichnete die Regelung gestern folglich als „weises Prinzip“, an dem man festhalten müsse. Wulff indessen will diese Hürde absenken. „Möglich wäre, dass die Länderparlamente in einer repräsentativen Demokratie mehrheitlich darüber entscheiden und dass dann bei der Volksabstimmung nicht 50 Prozent der Bürger zustimmen müssten, sondern ein geringeres Quorum ausreicht“, sagte er. Zu Details und Chancen seines Vorschlags äußerte er sich nicht.

Der Bremer SPD-Bundestagsabgeordnete Volker Kröning, der mit in der Föderalismuskommision von Bund und Ländern saß, geißelte Wulffs Vorstoß gestern als „zum Scheitern verurteilt“. CDU/CSU und SPD hätten abgemacht, als zweite Stufe der Föderalismusreform über die Finanzverfassung von Bund und Ländern zu verhandeln. Für Fragen der Länderneugliederung und den Artikels 29 gebe es dabei „gar keinen Ansatzpunkt“. Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach, einst ebenfalls Mitglied der Kommission, kann „keinen unmittelbaren Zusammenhang“ erkennen.

Inhaltlich ging Bosbach ebenfalls auf Distanz: „Es kann keine Länderneugliederung gegen die Bevölkerung geben“, betonte er. Allerdings: „Es gibt viele gute Gründe für eine Länderneugliederung.“ Armin Simon