: Gefällt mir nicht? Raus!
EXPERIMENTALPOP Mit weniger Elementen hört man die Details besser: Das Berliner Trio Denseland konzentriert sich auf dem zweiten Album aufs Allernötigste – Beat, Bass, Stimme. Live zu hören am Samstag im Haus Ungarn
VON TIM CASPAR BOEHME
Denseland sind eine Band. Normalerweise sollte das bei einem Zusammenschluss von drei Musikern nicht weiter der Rede wert sein. Doch bei diesem Trio handelt es sich um eine Gruppe von ausgeprägten Individualisten. Dass man ihrem zweiten Album „Like Likes Like“ dennoch keinen Hang zur musikalischen Selbstdarstellung anmerkt, liegt an der Strenge und Disziplin, mit der Denseland vorgehen.
Hier wollen alle Beteiligten etwas Gemeinsames schaffen. Das gelingt ihnen dadurch, dass sich jeder von ihnen in spektakulärer Weise zurückhält. Wer etwa den US-amerikanischen, in Berlin lebenden Sänger David Moss schon einmal als Solo-Performer erlebt hat, kennt ihn als extremen Virtuosen der sogenannten Extended Vocal Technique, der mit verschiedensten Tonlagen und Timbres arbeitet oder seine Stimme als Rhythmusinstrument nutzt. Auf „Like Likes Like“ spricht er lediglich mit angenehm sonorer, tiefer Stimme seine surreal-poetischen Texte. Spezialeffekte: Fehlanzeige.
Dafür teilt er seltsam-humorvolle Beobachtungen mit – immer wieder ist die Rede von Haut, Körpern oder Bewegungen in höchst unerwarteten assoziativen Zusammenhängen. Neben Moss, mit Jahrgang 1949 der Älteste in der Band, sind da die Klangkundler Hanno Leichtmann, studierter Schlagzeuger, und der Bassist Hannes Strobl, beide rund eine Generation jünger als ihr Sänger.
Minimalistische Studien
Leichtmann und Strobl, die in der Grauzone von frei improvisierter und programmierter elektronischer Musik operieren, kennen sich seit Jahren, haben ihre Studios im selben Gebäude im Wedding nebeneinander und spielten in diversen Projekten wie Dawn oder Paloma zusammen. Leichtmann veröffentlicht solo hauptsächlich unter dem Namen Static, unter seinem eigenen Namen erschien zuletzt auf dem russischen Label Mikroton Recordings das Album „Minimal Studies“ mit abstrakten und – wie der Titel sagt – minimalistischen elektronischen Skizzen.
Als Denseland spielen sie seit fünf Jahren zusammen. Wobei man sich unter „zusammen“ nicht vorstellen sollte, dass es wöchentliche Probetermine gibt. Man trifft sich vor Konzerten (zwischen fünf und zehn sind es pro Jahr, die meisten auf Festivals) oder zu Studioaufnahmen.
Für ihre zweite Studioarbeit haben sich Leichtmann, Moss und Strobl jetzt einige Beschränkungen auferlegt. Moss, der auf dem 2010 erschienen Debütalbum seine Texte noch improvisiert hatte, kam diesmal mit zwanzig Seiten geschriebenem Material ins Studio. Durch die Musik von Leichtmann und Strobl sah er sich mit der Frage konfrontiert: „In welchem Moment braucht die Musik diesen Text?“ Beim Improvisieren sei es stets darum gegangen, ständig „in der Musik“ zu sein: „Ich bin Teil von ihr, gehe mit ihr. Das nächste Wort ergibt sich aus dem vorangegangenen. In diesem Fall ist die Sache anders. Ich muss entscheiden: Wann passt diese eine Form in die andere? Wie lassen sie sich zusammenfügen?“
Dieser Millimeterarbeit beim Abstimmen von Text und Musik entspricht die Vorgehensweise von Leichtmann und Strobl beim Abmischen. Hier herrscht Beschränkung auf allen Ebenen: Kein Ton, der überflüssig wäre, stattdessen haben die einzelnen Elemente reichlich Platz, die Klänge sind „freigestellt“. Man hört wenig mehr als Synthesizerbässe und programmierte Beats, die Hanno Leichtmann an den geeigneten Stellen mit akustischem Schlagzeug verdoppelt.
Die reduktionistische Vorgehensweise hatte sich das Trio nicht vorab verordnet. Hannes Strobl sieht das Abmischen eher als allmählichen Erkenntnisprozess: „Das kam durchs Reinhören. Du hast diese Spuren und drückst zum Beispiel die Stimme auf Solo. Jetzt hörst du nur die Stimme. Du hörst sie und sagst: Klingt gut. Dann machst du die Bassdrum rein. Klingt immer noch gut. Und dann fängst du an, alles aufzuklicken, und auf einmal merkst du: Jetzt klingt es irgendwie nicht mehr interessant. Das war ein Prozess, rauszufinden, was kann man weglassen, und was braucht’s unbedingt?“
Die Präzision hat sich gelohnt, statt Improvisation und Zufall herrscht das Prinzip Subtraktion. Eine Lösungsstrategie, nicht zuletzt, um drohende Konflikte im Studio zu entschärfen, wie sich Hanno Leichtmann erinnert: „Wir haben eigentlich nicht viel gemacht. Von den zwölf Spuren, die wir hatten, haben wir acht immer rausgeschmissen. Bei den ersten zwei Stücken hatten wir uns fast schon gekloppt, doch irgendwann haben wir uns geeinigt: Okay, wenn einem etwas nicht gefällt, wird nicht gefragt. Das fliegt raus.“
Übrig blieben dunkle Synthesizertupfer, spartanische Rhythmusspuren und gelegentliche Töne vom Bass, die so sicher zu einem Groove vertäut wurden, dass sie sogar tanzbar sind. Es ist die wohl trockenste Form von Funk, die man sich vorstellen kann. Moss’ Stimme wirkt beruhigend und irritierend zugleich, und die aufgeräumte Weite der Songs wird allein durch die dunklen Bassklänge leicht eingetrübt. Ob man das Ergebnis als elektronische Musik oder Pop bezeichnet, ist wohl eine akademische Frage. David Moss jedenfalls wäre so oder so einverstanden: „Ich würde mich freuen, wenn ich endlich mal in meinem Leben auch ein Popalbum gemacht haben sollte. Ich wollte nie, dass die Leute an Kunst denken, wenn sie meine Musik hören. Ich will ihnen eine Erfahrung bieten, die sie anderswo nicht machen können!“
■ Denseland: „Like Likes Like“ (m=minimal/Kompakt). Live am 18. Mai, Haus Ungarn, Karl-Liebknecht-Str. 9, 20 Uhr