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Archiv-Artikel

Urbane Oase mit Blick auf den Affenfelsen

CITY WEST Das Bikinihaus am Zoo soll bald wiederauferstehen – als Mittelpunkt einer Shopping-Erlebniswelt. Weil das jetzt aber alle machen, hat man noch ein „Retail-Öko-System“ dazuerfunden

„Hier jehtet zu den Retail-Flächen“, sagt ein Bauarbeiter, ohne dabei rot zu werden

Es staubt gewaltig an der Budapester Straße. Überall sind Bauarbeiter unterwegs und machen ohrenbetäubenden Lärm mit irgendwelchen Maschinen. Die gute Laune der Pressegruppe, die in neongelber Sicherheitskluft durchs unfertige „Bikini Berlin“ schlendert, schmälert das nicht.

Im Gegenteil: Zwischen Baggern und Kreissägen kann man prima den Charme vermitteln, der das Projekt am Ende ausmachen soll: Von einer „gewissen urbanen Roughness“ spricht der Bauleiter und schwärmt mit bayerischem Akzent vom 50er-Jahre-Eisenbahngrün, das bald die noch schneeweiß in den Raum ragenden Stahlträger überziehen soll. Und von den original Berliner Gehwegplatten, die künftig den Boden im Erdgeschoss zieren sollen – quasi als räumliche Verlängerung des urbanen Lebensgefühls nach innen. In eine bis dato ungesehene Erlebniswelt mit den Markenzeichen Berlins: großstädtisch, modern, aber unfertig.

Während der Bauleiter erzählt, wie im „Bikini-Pool“ einzelne „Bikini-Tools“, also temporär mietbare Büroflächen für kleinere „Pop-up“- oder „Guerilla-Stores“ entstehen sollen, wirft einer der Arbeiter die Kreissäge an und unterbricht dabei auf erfrischende Weise die Marketingprosa, mit der die Immobilienfirma „Bayerische Hausbau“ die Bebauung des historischen Zoobogens bewirbt.

Eigentlich haben die Bauherren das Geschwurbel gar nicht nötig – denn das, was bis 2014 im Herzen der City West entstehen soll, kann sich durchaus sehen lassen: Auf sieben Etagen und insgesamt 51.100 Quadratmetern Mietfläche entstehen Einzelhandel, Gastronomie und Büros. Der Entwurf des Architekten Arne Quinze lässt das in den 50er Jahren erbaute Bikini-Haus mit seinen roten Säulen und der optisch zweigeteilten Glasfassade denkmalgerecht wiederauferstehen, erweitert das Haus aber in der Tiefe mit einer großen Terrasse, die über eine Freitreppe öffentlich zugänglich sein soll.

Im Inneren überwölbt eine Galerie mit einem futuristisch anmutenden Stahlgeflecht das Erdgeschoss, von dem aus man durch eine Glasscheibe freie Sicht auf den Affenfelsen hat. Links und rechts von „Bikini Berlin‘“ entstehen der rundum erneuerte Zoo-Palast, ein Hotelhochhaus und eine Parkgarage.

Der Rohbau ist fertig, im Herbst wird das Kino dem Betreiber übergeben, auch für das restliche Ensemble werden Kosten- und Zeitrahmen eingehalten. Auch die bisher bekannten Mieter klingen nicht übel: Die üblichen Ketten bleiben draußen, das zweite Obergeschoss, Bikini-Etage genannt, weil der Fassadenrücksprung den Bau in ein Ober- und ein Unterteil gliedert, wird der Modedesigner Kostas Murkudis bespielen. Im Erdgeschoss soll der belgische Design-Laden „Supermarket“ eröffnen.

Nun reicht es offenbar heute nicht mehr, einen Neubau mit Dachterrasse und spektakulärem Ausblick zu haben – es muss gleich ein „ganzheitliches Einkaufskonzept der Zukunft“ her. Deshalb gibt es eine Kooperation mit dem Art Center College of Design im kalifornischen Pasadena. Die Studierenden haben sich das Konzept eines „Retail-Öko-Systems“ ausgedacht, das als urbane Oase „für die Werte Respekt, Persönlichkeit, Kreativität und Leidenschaft“ steht. Sogar die Bauarbeiter scheinen diesen Quatsch verinnerlicht zu haben: „Hier jehtet zu den Retail-Flächen“, sagt einer, ohne dabei rot zu werden. Wenn diese Überidentifikation mal kein Kompliment für die zukunftsfreudigen bayerischen Bauherren ist.

NINA APIN