„Leute lagen auf den Fluren“

STADTTEIL-FÜHRUNG Die Geschichte Walles ist mit der Öffnung der Psychiatrien verbunden

■ 50, hat Anglistik, Amerikanistik und Psychologie studiert, ist Psychiatrieerfahrene und lebt in Gröpelingen.

taz: Frau Oldenburg, ist Walle besonders irre?

Heike Oldenburg: Nein, Walle ist wie Berlin-Charlottenburg ein Stadtteil, in dem mit der Öffnung der Psychiatrien viele Projekte einen Ort gefunden haben, die auf die Selbstbestimmung der Betroffenen ausgerichtet sind.

Zum Beispiel?

Das Blaumeier Atelier, die Initiative zur sozialen Rehabilitation, die Bremer Werkgemeinschaft oder im Hafen die Blaue Karawane, die dort ein Mehrgenerationen-Haus aufbauen möchte.

Und doch machen Sie eine „Psychiatrie-historische“ Führung?

Genau, bei meiner Führung konzentriere ich mich auf das Kloster Blankenburg und die Zeit seiner Auflösung.

Das Kloster Blankenburg in Oldenburg, wo später Asylbewerber leben mussten?

Genau. Dort war früher die Langzeit-Psychiatrie des heutigen Krankenhauses Bremen-Ost. Da waren durchweg Bremer, im Durchschnittsalter von 55 Jahren und mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 17 Jahren.

Wann wurde diese „Nervenklinik“ aufgelöst?

Von 1980 bis 1988. Die Auflösung war ein bundesweit einzigartiges Modellprojekt, nachdem 1975 die Psychiatrie-Enquête herauskam, der Bericht über die Lage der Psychiatrien in Deutschland. In Blankenburg waren schlimme Zustände, die Leute lagen auf den Fluren in Lachen aus Körperausscheidungen. Auch Heini Holtenbeen und Heinrich Vogeler kamen mit der Psychiatrie in Berührung.

Sie werden sie outen?

Nur die, die nicht mehr leben. Man kann an persönlichen Lebensgeschichten gut begreifen, was strukturelle Gewalt bedeutet und wie mit Menschen umgegangen wird.  iNTERVIEW: JPB

13 Uhr, Travemünder Straße 7, Am Blaumeier-Projekt