piwik no script img

Archiv-Artikel

Die kleine Koalition

AUS BERLIN JENS KÖNIGUND LUKAS WALLRAFF

Konkurrenz belebt das Geschäft – auch innerhalb der Opposition. Angesichts der Enthüllungen über BND-Aktivitäten während des Irakkriegs geben sich Guido Westerwelle, Gregor Gysi und Renate Künast gleichermaßen aufklärungshungrig. Die bisherigen Auskünfte der Regierung seien unzureichend, betonen die Oppositionsführer einhellig. Die Wahrheit müsse ans Licht. Nach der Linkspartei haben deshalb gestern auch die Fraktionen von FDP und Grünen beschlossen, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Damit scheinen die notwendigen Stimmen von 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten gesichert. Selbst Joschka Fischer, so war zu hören, werde seinen Namen unter den Antrag setzen.

Noch am Freitag wird sich der Bundestag mit den möglichen Verstrickungen des BND in den Irakkrieg befassen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier verkürzt seine Nahostreise deshalb um einen Tag.

Über den genauen Untersuchungsgegenstand wollen die drei Oppositionsfraktionen noch in dieser Woche gemeinsam beraten. Enge informelle Kontakte gibt es seit vier Wochen bereits zwischen FDP und Linkspartei, jetzt sollen auch die Grünen ins Boot geholt werden. Fest steht auf jeden Fall, dass es nicht nur um das umstrittene Verhalten des BND in Bagdad gehen soll. Als weitere Themen werden von allen drei Fraktionen übereinstimmend genannt: die Fälle des nach Afghanistan entführten Deutschen Khaled al-Masri und des nach Syrien verschleppten Deutschsyrers Mohammed Haidar Zammar; die Gefangenentransporte und Geheimflüge der CIA; die Besuche deutscher Beamter im US-Gefangenenlager Guantánamo und in einem syrischen Gefängnis.

Als zentrale Frage des Untersuchungsausschusses bezeichneten gestern sowohl Gysi als auch Künast die Aufklärung darüber, ob Deutschland sich mehr als bisher bekannt am Irakkrieg und dem Kampf gegen den Terror beteiligt habe. Aber schon da wird’s kompliziert: Wo fängt „Beteiligung“ am Irakkrieg an, wo hört sie auf? Die grüne Fraktionschefin Renate Künast hatte sich am Freitag voriger Woche schon mal festgelegt: Auch wenn die BND-Agenten den US-Amerikanern nur Informationen über Ziele geliefert hätten, die sie nicht bombardieren sollten, sei das „gewissermaßen auch eine Teilnahme am Krieg“. Dieser Bewertung widersprach der grüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland gegenüber der taz: „Wenn sie den Amerikanern nur gesagt haben, da ist eine Botschaft, da ist ein Krankenhaus, um eine versehentliche Bombardierung zu verhindern, dann kann man das nicht kritisieren. Aber wir stehen erst am Anfang der Aufklärung.“ Künast selbst ruderte gestern zurück. Bei der Bewertung dieser Frage müsse man „sehr genau diskutieren“, sagte sie. Es müsse möglich sein, „sich selbst und seine Botschaft“ zu schützen.

Viel entscheidender als diese Unterschiede in der politischen Bewertung sind jedoch die sehr eingeschränkten Möglichkeiten der Opposition in dem geplanten Untersuchungsausschuss. Vermutlich werden FDP, Linkspartei und Grüne nur mit jeweils einem Abgeordneten vertreten sein. Die Opposition macht sich auch keine Illusionen darüber, dass in einem Gremium, das Geheimdienstfragen verhandelt, viele Fragen gar nicht oder nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit erörtert werden. „Wir haben uns die Entscheidung für einen Untersuchungsausschuss nicht leicht gemacht“, sagt Linkspartei-Fraktionschef Gysi. „Da werden viele Akten geschwärzt, wir haben wenig Leute, aber viel Arbeit vor uns, und am Ende kostet das alles auch noch Geld.“ Für den Fall einer großen Koalition der Geheimhaltung droht der Grüne Wieland schon mal vorsorglich: „Dagegen gibt es rechtliche Klagemöglichkeiten. Eine Behinderung der Aufklärungsarbeit wird sich die Minderheit nicht gefallen lassen.“