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Archiv-Artikel

Selbstgefällige Lokalmatadoren

Warum blieb die Politik vollkommen taub für die Argumente gegen den Palastabriss? Mit unscharfem Pathos und politischem Kunstgewerbe haben die Abrissgegner auch selbst dazu beigetragen, eine fruchtbare Debatte um die Zukunft dieser Leerstelle im Bewusstsein der Stadt zu verhindern

Der Konsens der Selbstgerechten dämpft die Freude über das schöne Buch

VON ESTHER SLEVOGT

Die Ruine des Palasts der Republik ist eingezäunt, sein Abriss scheint unaufhaltsam. Am letzten Samstag versammelte sich noch mal eine Gruppe von Abrissgegnern am Schlossplatz zum Polit-Happening. Man verlas ein pathetisches Gnadengesuch für das Haus, als handele es sich um den Insassen einer kalifornischen Todeszelle. Als Höhepunkt wurde vom Dach ein Transparent mit der Aufschrift „Einigkeit und Recht und Freiheit für den Palast“ herabgelassen; eine Kapelle intonierte die Hymne der Bundesrepublik Deutschland. Das Mitsingen fiel freilich etwas schütter aus, weshalb die angestrebte Ironie in verkrampften Ernst umschlug und der umkämpfte Ort unfreiwillig als das erkennbar wurde, was er ist: nämlich die Leerstelle im Bewusstsein der Stadt und der Identität dieses Staates. In ihrer Mischung aus unscharfem Pathos und politischem Kunstgewerbe war die von zahlreichen Journalisten beobachtete Veranstaltung typisch für die meisten Projekte im zwischengenutzten Palast.

Pünktlich zum bevorstehenden Abriss haben die rührigsten unter den Abrissgegnern, die Veranstalter des „Volkspalasts“, nun ein Buch herausgebracht, das Bildband, Dokumentation und Festschrift in einem ist: Hier feiern sich die Volkspalast-Aktivisten noch ein mal selbst.

Eigentlich durchaus zu Recht. Schließlich haben sie die Aufmerksamkeit von Zeitungen von New York bis Helsinki angezogen und ein Gebäude wieder zum Leben erweckt, das aus dem Bewusstsein der Stadt bereits verschwunden war. Dementsprechend gehoben war die Stimmung bei der Buchvorstellung in den Sophiensælen. Auf dem Podium rekapitulierten Amelie Deuflhard und Elisabeth Schweeger wesentliche Volkspalast-Diskurse. Im Publikum saßen jede Menge Sympathisanten, inklusive Hauptstadtkulturfondskuratorin Adrienne Goehler, die immer wieder das „wunderbare Buch“ lauthals lobte, um schließlich die Frage aufzuwerfen, wieso sich die Politik eigentlich vollkommen unempfänglich für die Volkspalast-Aktivitäten gezeigt habe.

Die Frage war natürlich rhetorisch und gegen die Politik gerichtet, die sich als unfähig erwiesen hat, auf berechtigte Einsprüche gegen den Abriss zu reagieren. Tatsächlich aber kann man diese Frage auch gegen die Volkpalastmacher selber richten, denen es nämlich nicht gelungen ist, einen ernsthaften Dialog über die Zukunft des Ortes zu eröffnen. Statt alle Kombattanten, Schlossfreunde und Abrissfeinde, an einen Tisch zu holen, wurde die Debatte von Anfang an unnötig ideologisiert, wurden die Gegner des Palasts diffamiert, und zu guter Letzt wurde sogar der wackere Schlossaktivist Wilhelm von Boddien in den Ruch des Spendenmissbrauchs gebracht, obwohl seine Schwierigkeiten beim Spendensammeln eher an der Rechtsunsicherheit im Dschungel der deutschen Vereinsgesetzgebung liegen. Unvergessen in diesem Zusammenhang ist auch das Fun-Palace-Symposion im Herbst 2005, wo differenziert argumentierende internationale Spezialisten wie der Architekt Rem Koolhaas und der New Yorker Architekturtheoretiker Mark Wigley von selbstgefälligen Lokalmatadoren wie Philipp Oswalt schlicht an die Wand geredet wurden. So herrschte auch bei der Buchvorstellung schnell wieder der Konsens der Selbstgerechten, mit der die Debatten um den Volkspalast von Anfang an unangenehm aufgefallen sind. Schlossfreunde wurden stets als oberflächliche Fassadenanbeter abgekanzelt.

Das dämpft dann auch deutlich die Freude an dem Buch und seinen schönen Fotostrecken, von dem man Kritisches ohnehin nicht erwartet hatte. Zwar kommen auch ein paar Schlossfreunde zu Wort. Doch ihre Plädoyers gehen in der Volkspalast-Nabelschau unter.

Was wäre eigentlich die Perspektive gewesen? Beim Rekapitulieren der vielen hübschen Projekte stößt man auf viel Kunstgewerbe und wenig Kunst. Auf halbgare freie Produktionen, deren Mängel die Veranstalter gerne mit einem Mangel an Zeit und Geld bei der Produktion entschuldigen. Tatsächlich wird man den Verdacht nicht los, dass im Palast der Republik bloß eine Art gigantisches Tacheles entstehen könnte, wenn alles so weiterlaufen würde. Die Ruine einer Einkaufspassage an der Oranienburger Straße war auch mal Ort einer quirligen freien Szene. Nun mufft sie als Relikt aus besseren Tagen vor sich hin. An einen zentralen Ort wie den Schlossplatz aber gehört etwas anderes. Die Volkspalast-Aktivisten haben mit ihrer Bunkermentalität die Chance vertan, hier wirklich eine Debatte zu eröffnen.