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Archiv-Artikel

Die teuflischen Koch-Brüder

MEDIEN Zwei Multimilliardäre wollen die zweitgrößte amerikanische Zeitungsgruppe kaufen – um den Demokraten in den Hintern zu treten

Das Schimpfen auf die linken Medien steht im Zentrum rechter Verschwörungstheorien

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Bitte verkauft nicht an die Koch Brothers“, steht auf dem handgeschriebenen Transparent, das an diesem Dienstag in der Innenstadt von Los Angeles flattert: „Denn jede Stadt verdient eine große Zeitung.“ Bei Demonstrationen in Chicago und in Baltimore sowie in den Bundesstaaten Connecticut, Florida, New York, Pennsylvania und Virginia gibt es ähnlich flehentliche Appelle.

Es geht um die zweitgrößte Zeitungsgruppe der USA, die Tribune Company. Nach einem Konkursverfahren Ende vergangenen Jahres will die Gruppe nun ihre acht großen Regionalzeitungen – die meisten davon mit Monopolstellung – sowie Hoy, die zweitgrößte spanischsprachige Zeitung des Landes, abstoßen. Mit dem besten Gebot sollen die Ölmilliardäre Charles und David Koch im Rennen sein. Nach nicht bestätigten Informationen sollen sie bereit sein, eine Milliarde Dollar für die Zeitungsgruppe zu zahlen, deren gegenwärtiger Wert auf 623 Millionen US-Dollar geschätzt wird.

Die Gebrüder Koch sind mit ihrem in Öl, Gas und Chemie angehäuftem Vermögen die wichtigsten individuellen Geldgeber für radikal rechte Graswurzelbewegungen geworden. Sie haben Millionen in die Tea Party gepumpt, die die Republikanische Partei nach rechts getrieben hat. Sie finanzieren rechtslibertäre Thinktanks, die Thesen für ideologische Schlachten gegen Steuern, Umweltauflagen, gewerkschaftliche Vertretungsrechte und für Schusswaffen liefern – und die begründen, weshalb das Land mehr Ölpipelines braucht und der Klimawandel ein „Gerücht“ ist. Sie sind Mitgründer des American Legislative Exchange Council, eines Gremiums, in dem Lobbyisten zusammen mit republikanischen Politikern Gesetze verfassen und die im vergangenen Jahr 60 Millionen ausgeben wollte, um eine Wiederwahl von Barack Obama zu verhindern. Den größten Teil ihrer Anti-Obama-Investitionen haben sie in Organisationen wie Americans for Prosperity gepumpt, die ihre Geldquellen nicht offenlegen müssen.

Ihre politische Zehnjahresstrategie haben die Koch-Brüder bei einem Treffen mit anderen UnterstützerInnen rechter libertärer Anliegen vor drei Jahren beschrieben. Dabei war nicht nur von Ausbildung von Graswurzelaktivisten und von Beeinflussung der Politik die Rede, erinnert die New York Times, sondern auch von einem dritten Punkt: „Medien“. Zwar haben der Murdoch-Fernsehsender Fox und zahlreiche rechte Talk-Radios ein dichtes Netz über die USA gesponnen und auch gibt es neben dem Wall Street Journal (auch Murdoch) zahlreiche andere konservative Tageszeitungen. Doch für die rechte Basis sind die Medien fest in linker Hand. Das Schimpfen auf die „liberal medias“ steht im Zentrum rechter Verschwörungstheorien.

Während in Kalifornien in dieser Woche hunderte Beschäftigte und Leser gegen den möglichen Verkauf der Los Angeles Times an die rechten Milliardäre auf die Straße gehen, sagt eine Sprecherin der in Kansas ansässigen Koch Industries, das seien „Proteste gegen ein Gerücht“. Melissa Cohlmia lehnt es ab, die Kaufabsichten zu bestätigen oder zu dementieren. Doch die Gegner des Verkaufs sind überzeugt, dass das seit Januar hinter verschlossenen Türen besprochene Geschäft jederzeit besiegelt werden könnte. Im Internet kursieren Petitionen dagegen. In Los Angeles hat die Hälfte der Zeitungsbeschäftigten angekündigt, im Falle einer solchen Übernahme zu kündigen. Und Kommunalpolitiker Bill Rosendahl hat im Stadtrat vorgeschlagen, die Beamten anderswo zu versichern, falls der Deal zustande kommt. Der gegenwärtige Rentenversicherungsmanager Oaktree Capital ist zugleich der größte Eigentümer der Tribune Company. In Washington hat der demokratische Senator Bernie Sanders gegen den Verkauf an „Rechtsextremisten mit enormer wirtschaftlicher Macht“ protestiert. Die Kochs „unterstützen die Privatisierung der Sozialversicherung, die Einschnitte in Hilfen für Arbeiterfamilie, die Attacken gegen Arbeiterrechte, sie wollen mehr Steuerbefreiungen für Milliardäre und Großunternehmen“.

Zu den Zeitungen der Tribune Company gehören politisch eher linksliberale Blätter, die bereits im 19. Jahrhundert gegründet worden sind. Die Los Angeles Times ist mit einer Auflage von rund 600.000 das viertgrößte Blatt der USA, die Chicago Tribune das neuntgrößte landesweit und zugleich das mächtigste im Mittleren Westen, die Baltimore Sun hat eine Auflage von rund 200.000. Falls das Geschäft zustande käme, würden die Koch-Brüder in den nächsten Wahlkämpfen über eine mächtige Printpräsenz im Land verfügen.

Das Zeitungsgeschäft in den USA steckt seit dem letzten Jahrzehnt in der schwersten Krise seiner Geschichte. Dutzende von Blättern haben von der täglichen Erscheinungsweise auf die Dreitagewoche umgestellt, sind ins Internet gegangen oder haben ganz zugemacht. Zugleich gibt es Investoren, die an eine Zukunft der Printbranche glauben – aus wirtschaftlichen und auch politischen Motiven. Einer von ihnen ist der – den Demokraten nahestehende – Multimilliardär Warren Buffett. Er hat im vergangenen Jahr 28 Zeitungen aufgekauft – und hat auch Interesse an einzelnen Objekten der Tribune Company bekundet. Ähnliches gilt für verschiedene lokale Investoren an den Erscheinungsorten der zum Verkauf stehenden Blätter. Auch der Zeitungsriese Rupert Murdoch bleibt an der Expansion seiner Printgeschäfte in den USA interessiert und würde ebenfalls gern die Los Angeles Times kaufen. Sein Handicap: Er kontrolliert in der Stadt bereits die Fernsehlandschaft.

Die Tribune Company will bislang ihre Zeitungen als Paket – und nicht in Einzelteilen – verkaufen. Doch der Druck wächst. Die Gewerkschaften – die politischen Lieblingsgegner der Koch-Brüder – entscheiden über die Vergabe von Millionen von Rentenversicherungsverträgen in den USA. Ihre Drohung an die gegenwärtigen Besitzer der Tribune Company, diese Versicherungen künftig anders zu vergeben, könnte ein mächtiges Druckmittel gegen den Verkauf an die Gebrüder Koch werden.