piwik no script img

Archiv-Artikel

So klappt’s auch mit …

... Humor

„Ich sach ja imma, entweder es kommt oder es kommt nicht, und wenn es nicht kommt, ist auch gut“

CHARLOTTE ZU KAPPENSTEIN

VON WALTRAUD SCHWAB

Ein Witz: Sagt einer zum anderen: „Du, ich habe einen Mann gesehen, der Hai gegessen hat in einem Aquarium.“ Sagt der andere: „Das ist nichts gegen den Mann, den ich gesehen hab. Der hat Hering gegessen in einem Restaurant.“

Und? Gelacht? – Na ja, nicht so schlimm, ist sowieso englischer Humor.

Hier ein Witz aus Uelzen. Lehrer: „Alkohol ist unter anderem auch ein gutes Lösungsmittel.“ Schülerin: „Ja, für Probleme und so.“

Haha.

Ich find die meisten Witze nicht zum Lachen. Man nennt mich „auf eine komische Art humorlos“. Also, nicht wirklich humorlos, aber doch irgendwie schwer von Kapee.

Und jetzt? „Los“, sagen meine Kollegen, „du lernst jetzt Humor! Tu’s für uns.“

Sonst noch was? Und vor allem: Wie lernt man Humor?

Charlotte zu Kappenstein in Spandau muss es richten. Sie ist „Lachfaltenpflegerin“. Sie habe, sagt sie, ein Lachfaltenpflegediplom. Wo man das herkriegt? Statt Antwort ein Blick. Zu Kappenstein hat was gekocht. „Humor geht durch den Magen“, sagt sie. Der erste Gang: Salat mit Kürbiskernen, Balsamico und Walnussöl. Meine Stirnfalte entlockt ihr einen weiteren Rat: „Sie müssen die Mimik trainieren.“

Sie meinen, Humor hängt also vom Zustand des Magens und Gesichts ab?

„Bei manchen schon.“ Alles pflegten die Leute: ihre Hände, ihre Brüste, ihre Falten, nur die Gesichtsmimik nicht, meint sie. „Ich könnte Lockerungsübungen machen mit Ihnen.“

Ich kaue weiter. Mit geschlossenem Mund. Mein Gesicht verzieht sich enorm. Meine Oberkiefer knacken. Zu Kappenstein schweigt. Dann sagt sie doch etwas. Ihr Vater sei Rheinländer, der lache offen, ihre Mutter sei Westfälin und lache innerlich. Humor sei bei ihr also eine Sache qua Geburt. Ich kaue wie eine Kuh. Was bedeutet das, Humor qua Geburt?

In der Literatur steht – sehr verkürzt wiedergegeben –, dass Kinder, die sicher an ihre Eltern gebunden sind, das mit dem Humor besser beherrschen als jene, in deren Familien es nicht so rosig zuging. Weil Humor eine spielerische Einstellung voraussetze und sicher gebundene Kinder leichter lernten, zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu wechseln. Sagt das jetzt was über mich?

Charlotte zu Kappenstein, die so heißt, weil sie gerne Kappen trägt und ihre frühere Existenz als Tausendsassa des Düsseldorfer Oberbürgermeisters vor zehn Jahren hinter sich ließ – Auslöser sei eine Krise gesundheitlicher Art gewesen – zuckt mit den Schultern. Fantasie? Wirklichkeit? „Bei manchen funktioniert es, bei manchen nicht“, meint sie. Seit der Krise macht sie „in Humor“. Und zwar so radikal, dass sie ihren früheren Namen nicht mal sagen will. Gut, er stand am Klingelschild, ich weiß jetzt, wie sie wirklich heißt. Ist das relevant? Ihre vorherige Existenz habe sie abgelegt. Ihr Alter? „Älter als 30, jünger als 100.“ Ihre Haltung: „Also, auf die Knie falle ich nicht mehr, weil ich nicht weiß, ob ich wieder hoch komme.“ Mit Humor jedenfalls kann man Krisen bewältigen. Mit Humor kann man die äußersten Kanten von Depressionen schleifen. Mit Humor kann man schwierige soziale Interaktionen meistern – sagen Humorwissenschaftler.

Zu Kappenstein macht übrigens in politischen Humor, wenn es geht, wenn es in Spandau geht, wo sie vor zwei Jahren hinzog, aus Oberhausen, der ärmsten Stadt Deutschlands, wie sie betont. Sie dachte, es kann nicht schlimmer kommen. „Da kannte ich Spandau noch nicht.“ Auf jeden Fall hat sie es geschafft, sich dort auf einer Kleinkunstbühne kabarettistisch zu etablieren. Ihre vorletzte Show: „Vatileaks“. Für sie, Rheinländerin mit Oberhausener Sozialisation, war Ratzingers Rückzug am Rosenmontag ein Scherz. „In der Regel ist so ein Mann doch weg, wenn er weg ist“, sagt sie.

Zurück zum Essen. Der zweite Gang: Zu Kappenstein tischt Nudeln auf, mit Ricottawalnusssoße. „Loriot“, sagt sie, „kennen Sie seinen Sketch mit der Nudel? Er macht Liebeserklärungen mit einer Nudel im Gesicht.“ Das sei Humor. Ich kenne den Sketch nicht. Zu Kappenstein guckt mich an, seufzt. Loriot sei übrigens in dem Jahr gestorben, in dem sie nach Berlin zog. Das nehme sie ihm persönlich übel. Ob sie ihn denn persönlich gekannt habe? „Nein, zum Äußersten sei es nicht gekommen.“

Humor entstünde durch Inkongruenzen und Mehrdeutigkeiten, sagen Humorwissenschaftler. Was Sender und Empfänger einer Botschaft denken, sei nicht deckungsgleich. Frau zu Kappensteins Humorerklärung dagegen: „Ich sach ja imma, entweder es kommt oder es kommt nicht, und wenn es nicht kommt, ist auch gut.“ Sie sagt es mit den gedehnten, gesungenen Vokalen der Rheinländer und den betonten Konsonanten am Ende.

Zum Nachtisch gibt es: Joghurt mit in Orangensaft sautierten getrockneten Aprikosen und Feigen. Und Espresso. „Futter habe ich Ihnen gegeben“, sagt sie zum Abschied, „machen Sie was draus.“