: Kleine weiße Lügen
Zu einer guten Komödie gehört Begeisterung für den Wahnsinn. Der fehlt Ben Youngers „Couchgeflüster“, in dem Meryl Streep die Therapeutin und potenzielle Schwiegermutter Uma Thurmans spielt. Trotzdem ist es immer wieder schön, zu sehen, wie Schwindeleien den Weg zur Wahrheit verstellen
von BARBARA SCHWEIZERHOF
„Bettgeflüster“ ist der deutsche Titel jener Komödie mit Rock Hudson und Doris Day, in der die beiden sich einen Telefonanschluss teilen müssen. Dem damaligen technischen Standard nach bedeutete das, dass sie beim Aufnehmen des Hörers die Gespräche des anderen mit anhören konnten oder eben mussten, was ihnen gewisse Einblicke in Charakterzüge des unsichtbaren Gegenübers verschaffte. Und erst mal zu tiefer Abneigung auf beiden Seiten führte. Dann aber lernen sie sich von Angesicht zu Angesicht kennen, jedoch ohne dass Day weiß, dass der charmante Hudson der von ihr so verachtete Telefonnachbar ist. So steuert die ganze Komödie unweigerlich auf die fatale Enthüllung zu.
Was die deutschen Verleiher bewogen hat, mit dem Titel „Couchgeflüster“ („Prime“ im amerikanischen Original) die Erinnerung an den Doris-Day-Rock-Hudson-Klassiker wachzurufen, liegt auf der Hand: Mit „Bettgeflüster“ teilt „Couchgeflüster“ dieses schillernde Motiv, dass eine Person für eine andere in doppelter Identität auftritt. Hier ist es Meryl Streep, die als Psychotherapeutin Lisa Metzger die schöne Rafi (Uma Thurman) behandelt. Sie macht der frisch Geschiedenen Mut, sich auf eine Affäre mit einem jüngeren Mann einzulassen – und muss dann entdecken, dass es sich bei diesem um ihren eigenen Sohn handelt. Auch hier steuert irgendwann alles auf die fatale Enthüllung zu, in der die gute Therapiemutter sich dazu bekennen muss, gleichzeitig die böse Schwiegermutter zu sein.
Wie immer liegt der Reiz darin, der Entstehung der Missverständnisse zuzuschauen. Am Anfang nämlich weiß nur der Zuschauer, was Sache ist. Nicht ohne Schadenfreude beobachtet man, wie sich hier nette Menschen durch kleine Lügen den direkten Zugang zur Wahrheit verstellen. Rafi ist 37, der 23-jährige David (Bryan Greenberg) muss da natürlich viel Erfrischendes reden, bevor er sie überzeugen kann, sich mit ihm einzulassen. Vor ihrer Therapeutin ist Rafi der Altersunterschied ein bisschen peinlich, sodass sie ihren Liebhaber dort erst mal für 27 ausgibt. David selbst erzählt seiner Mutter von einer Frau Anfang 30, und so ist Streep die Ahnungslose. Als sich das ändert – die Therapeutin ist eine zu scharfe Beobachterin sowohl ihrer Familie als auch ihrer Patienten –, entfalten sich die nächsten misslichen Situationen, Fallstricke und blöde Zufälle, wie sie Gott sei Dank nur im Kino vorkommen. Das sind die spannendsten Minuten des Films: Einerseits kann Streep-Metzger der Versuchung nicht widerstehen, sich über Rafi Einblicke in das Leben ihres Sohnes zu verschaffen, die einer Mutter sonst absolut verschlossen sind; andererseits bekommt sie auf diese Weise auch Dinge zu hören, die sie gar nicht hören will. Dass die von ihr mit großer Überlegung getroffene Maßnahme, keine Q-Tips für die Reinigung von Kinderohren einzusetzen, von den Betroffenen als Hang zur Schmuddligkeit verstanden wurde, ist da noch das Harmloseste.
Dann aber vermeidet es der Film allzu sorgsam, seine Figuren zu Karikaturen verkommen zu lassen. Es ist fast ein bisschen viel Gerechtigkeit, die hier alle Seiten über die üblichen peinlichen Situationen hinweg erfahren. Dabei gehört zu einer guten Komödie doch immer auch die Begeisterung für den Wahnsinn. Hudson und Day waren ein unmögliches Paar. Was ihren Filmen, außer der sinnbildlichen hollywoodschen Verlogenheit, auch etwas Absurd-Utopisches verlieh. „Couchgeflüster“ ist dagegen zu sehr um Vernunft und Ehrlichkeit bemüht.
„Couchgeflüster“. Regie: Ben Younger, mit Meryl Streep, Uma Thurman u. a. USA 2005, 100 Min.