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Archiv-Artikel

Jetzt geht’s lo-hos!

Heute Abend eröffnet das ZDF die mediale Fußballweltmeisterschaftsdauerpenetration: „Die große Fußball-WM-Show“ (20.15 Uhr) mit Johannes B. Kerner zeigt als Erste, was da auf uns zurollt

VON SILKE BURMESTER

Mit einem blinden Löwen und einem sprechenden Ball wird heute Abend die WM-TV-Saison eröffnet. „Die große Fußball-WM-Show“ im ZDF bildet den Auftakt – eins zu null für das Zweite oder einfach zu schnell gekommen?

Unsere Gurkentruppe

Was sich abspielen wird in 90 Minuten WM-Revue, ist ein Vorgeschmack, auf das, was uns die nächsten Monate erwartet, auf allen Kanälen rauf und runter. Altgediente Herren aus drei Jahrzehnten Fußballaktivität werden noch mal zum Besten geben, wie das damals wirklich war, in Bern, in München, gegen Italien, gegen die Holländer und als der Toni den Beckenbauer einen Gurkenkönig genannt hat. Was ja gar nicht stimmt, denn er hat ja „Suppenkasper“ gesagt, und das auch nicht zum Beckenbauer, und die „Gurkentruppe“, ja die ist ja auch nicht von ihm. Dann wird eine Renate Künast auftauchen, weil die 1848 mit ihrer WG und einem Kasten Bier „für alle! Nicht für jeden!“ vor dem Fernseher saß und irgendein Endspiel mitverfolgt hat und noch genau weiß, was sie damals empfunden hat, als der Ball dann doch nicht ins Tor ging oder vorbei oder rein oder so. Die gibt dann die taffe Quotenfrau, die so eine Sendung braucht, damit dumme Emanzen nicht „Chauvi-Scheiß!“ schreien können bei den ganzen Sendungen, die nun rauf und runter laufen werden, über „unsere“ Weltmeister 1954, 1974 und 1990 ohne auch nur einmal die Damenmannschaft mit ins Boot zu holen, die uns (!) 2003 den Fußballweltmeister-Titel bescherte. Dann kommt noch der ein oder andere Aktive aus den letzten zwei Jahrzehnten dazu, so wie der Klose, der am Anpfifftag Geburtstag haben wird und auch wieder ganz fit ist, jetzt, wo er „zwei Platten im Gesicht“ hat, die das ein oder andere gebrochene Knöchelein ersetzen.

Und wenn er nicht wichtige Staatskontakte zu pflegen hat, dann wird auch der Mann gern zu Gast sein, den sie Birne nannten, und er wird versuchen, sein Birnenende zwischen die Sessellehnen zu quetschen, und nur vier Minuten brauchen, bis er die Wörter „Wir-Gefühl“, „Vaterland“, und „Nationalsozialismus“ in der Sendung untergebracht hat. So wie bei Johannes B., dem Guten, der angenehm locker und souverän durch die 90 Minuten führt und sich kein einziges Mal verspricht. Damit das Publikum zwischendurch wieder wach wird, wird Franz Lambert „Das ist der mit der Orgel“ an die Tasten gelassen, und vier halb nackte Samba-Tänzerinnen zeigen dem deutschen Publikum, wie ausgelassen es in ihrem Land zugeht.

Für Fernsehzuschauer ist das schon eine Menge. Schließlich ist der Spaß begrenzt, wurde doch die Berliner WM-Eröffnungs-Gala abgesagt, um den Rasen zu schonen. Und Tickets können schließlich auch nicht für jeden rausgerückt werden. Da, wo im Stadion der Rasen, liegt im Fernsehstudio die weiche Matte, und so kann Klaus Fischer noch einmal seinen legendären Fallrückzieher vorführen. 55 Jahre und fitter, als die meisten Zuschauer es je sein werden. Das imponiert. Das bringt echten, leidenschaftlichen Beifall. Nicht so ’n Applausaufguss wie der mit dem Einklatscher eingeübte.

Wer ist dieser Irre?

Dabei ist bei all den zu erwartenden Aufzeichnungen vor allem das interessant, was nicht ausgestrahlt wird. Für den Abend der „Großen Fußball-WM-Show“ etwa, dass die Jungs auf der Bank, Breitner, Matthäus, Kürten, vor Langweile nicht wissen, wohin mit sich, kaum dass der Moderator in einer anderen Ecke des Studios spricht. Paul Breitner, der im Fußballalbum zu blättern beginnt, Lothar was Lustiges zeigen will und der kalt wie Fisch bleibt. Dieter Kürten ist der Einzige, der mit Ach und Krach ein Klatschen zuwege bringt, nachdem Kerner den Altbundespräsidenten Walter Scheel verabschiedet hat – ein Interview, bei dem von den Fußballern eh keiner zugehört hat. Dem Zuschauer wird entgehen, dass Lothar Matthäus offenbar keine Ahnung hat, wer Oliver Pocher ist, und auch Loddars besorgtes Gesicht, in dem die Frage geschrieben steht, wer diesen Irren unter Kontrolle hat.

Vielleicht wird man übers Fernsehen erkennen können, dass Renate Künast den Abschlusssong mit Torwarthandschuhen mitklatscht und dass Oliver Pocher, der wohl festgestellt hat, dass die Handschuhe von innen stinken, ihr anbietet, an seinen Händen zu riechen. Dass „unser“ Maskottchen Goleo nicht nur eine Hose und einen Blindenhund braucht, sondern auch jemanden, der ihm den Kopf anhebt und minutenlang Luft zufächelt, wird allerdings verborgen blieben. Dafür kann man zu Hause, vor den Bildschirmen, dabei sein, wenn Dieter Kürten mit Goleos Schwanz zu spielen beginnt. Sofern die Bildregie dies zulässt.