: „Jesus’ fettes Comeback“
Martin Luther war gestern. Denn nun hat Martin Dreyer (40), Gründer der „Jesus Freaks“-Bewegung, die Heilige Schrift „in die Sprache meiner Leute“ übersetzt. Die „Volxbibel“ ist nicht nur unfreiwillig komisch, sie versetzt auch Theologen in heilige Wut
VON PHILIPP GESSLER
Religion ist selten witzig. Und die Bibel ist, da es darin um die letzten Dinge geht, in der Regel sogar todernst. Auch die Volxbibel ist praktisch völlig humorfrei – aber gerade deshalb irre komisch.
Von der Volxbibel, Ende vergangenen Jahres in einer Auflage von 5.000 Stück erschienen, war die erste Auflage innerhalb von gut zwei Wochen vergriffen, die zweite wird gerade gedruckt. Außerdem ist über das im Lucky-Strike-Look aufgemachte Taschenbuch in evangelikal-freikirchlichen Kreisen eine heftige Debatte entbrannt, in die sich hin und wieder auch witzige Töne mischen – etwa wenn der Autor der Volxbibel, Martin Dreyer (40), ein harmloser Suchtberater, Kerzendreher, angehender Diplompädagoge und freikirchlicher Pastor als „Satan“ oder „Schänder des Wortes Gottes“ beschimpft wird.
„Innerlich superglücklich“
Der „Witz“ der Volxbibel ist nämlich, dass es sich dabei um eine ausgesprochen freie Übersetzung des Neuen Testaments handelt, die megakrass am Start ist, oder so. Die vier Evangelien, die Apostelgeschichte, die Briefe des Paulus, kurz: die ganze Frohe Botschaft ist von Dreyer und einem Beraterteam in einer radikalen Jugendsprache gehalten, ja passagenweise völlig umgedeutet worden – wobei zu fragen wäre, ob wirklich jemand unter 20 so daherlabert.
Ein Beispiel: Die Auferstehung wird in der Volxbibel kurz und knapp „Jesus’ fettes Comeback“ genannt. Der Engel, der den zwei Marias am offenen Grab erscheint und ihnen von der Auferstehung Jesu berichtet, „leuchtete fast wie eine 5.000-Watt-Halogenlampe und seine Klamotten waren weiß wie Schnee“. Die Soldaten am Grab „machten sich in die Hose vor Angst“, während die Frauen „innerlich superglücklich“ waren. Dann erscheint der Auferstandene, es ist der Höhepunkt der Story: „Als sie um die Ecke bogen, stand plötzlich Jesus vor ihnen. ‚Hallo, ihr zwei!‘, sagte er. Die beiden legten sich nur platt vor ihm auf den Boden und fassten seine Füße an. Jesus redete ihnen gut zu: ‚Entspannt euch! Jetzt geht erst mal zu meinen Jungs und richtet ihnen aus, dass wir uns in Galiläa treffen! Da bin ich dann für alle am Start!‘“
So geht das weiter über 576 Seiten. Es wimmelt nur so von Ausdrücken wie „Joystick dieser Welt“, „fett absahnen“, „verarschen“, „McDonalds“, „Dreckskerle“, „echt am Arsch vorbei“, „Bock haben“ oder „gut drauf sein“. Völlig neue, ungeahnte Interpretationen der uralten Texte leistet Dreyer auch, wenn er etwa das Beten als „Labern mit Gott“ umschreibt oder das „Salz der Erde“, das die Christen sein sollen (Matthäus, 5, 13), kurzerhand als „Kühlschränke“ übersetzt, weil Lebensmittel damals eben mit Salz haltbar gemacht wurden. Das „Himmelreich“ (Matthäus 5, 19) oder „Reich Gottes“, ein zentraler Begriff des Neuen Testaments, werden mal schnell zu „Gottes Ding“. Und die wunderbar durch Jesus vermehrten sieben Brote und wenigen Fische zur Sättigung für die viertausend am See Genezareth interpretiert Dreyer locker zu „’ner Runde Hamburger“ (Matthäus, 16, 10) und ein paar „kleine Frikadellen vom Aldi“ (Matthäus 15, 34). Überschrift zu dieser Wunderszene übrigens: „Jesus McDonalds die Zweite“.
Kein Wunder, dass es enormen Widerstand gegen diese Volxbibel unter den Frommen in diesem Lande gibt. Die „Apostolische Pfingstgemeinde“ in Leipzig protestierte in einem offenen Brief: „Die Volxbibel ist kein Werk, das rettet, sondern was verführt.“ Pastor Dreyer sei „nicht gewillt, sich am Wort auszurichten, sondern er richtet das Wort Gottes an einer verdorbenen, sündigen Gesellschaft aus. Und das ist die eigentliche Verirrung und Sünde.“ Kurz: „Wir sagen Nein zur Volxbibel, denn wir sind Christen!“
Zwei Theologen des „Arbeitskreises für evangelikale Theologie“ schäumen geradezu: „Diese gotteslästerliche Bibel entspricht in keiner Weise dem, was von der Schrift als Orientierung für Christen und Nichtchristen zu erwarten ist. Sie eint nicht, sie spaltet“, schreiben die christlichen Herren mit apokalyptischem Tremolo, „die theologische und geistige Erosion drängt nur ein weiteres Stück ins Heiligtum, in Bibelwort und Gemeinde vor, macht sich dort breit und zersetzt den Respekt nicht nur vor einer gepflegten Sprache, vor dem Alter, tiefer: vor Gottes Wort und schließlich vor Gott selbst.“
Schon wenige Tage nach der Veröffentlichung der Volxbibel erhielt Dreyer, wie er öffentlich verkündete, 600 Protest-E-Mails. Der R. Brockhaus Verlag, Herausgeber etwa der seriösen Elberfelder Bibel, ahnte wohl Schlimmes und gründete deshalb eigens einen Tochterverlag für das Projekt, den Volxbibel Verlag, getragen von der Stiftung Christliche Medien in Witten. Auch wenn es in der Volxbibel heißt, Dreyer habe das Neue Testament „übersetzt“, rudert der Verlag mittlerweile zurück und nennt das Ganze lieber eine „Übertragung“ und ein „neues, provozierendes Sprachexperiment“. Dreyer selbst ließ sich noch während der zweijährigen Übertragungsarbeit durch den Ratschlag einer um die Sprache ihrer Kinder besorgten Mutter davon überzeugen, doch lieber alle Fäkalausdrücke wie „Scheiße“ etc. zu meiden, obwohl er argumentierte, dass Paulus selbst von „Scheiße“ gesprochen habe – nur Luther habe daraus „dreck“ gemacht (Brief an die Philipper 3, 8).
Nun ist natürlich auch die Luther-Bibel nicht perfekt. Das liegt allein schon daran, dass der ehemalige Augustiner-Mönch sie in einem Heidentempo ins Deutsche übersetzte – das Neue Testament beschäftigte ihn nur elf Wochen. Allerdings überarbeitete er seine Bibel immer wieder. Auch Luthers Deutsch war das der einfachen Leute. Er habe dem Volk „aufs Maul geschaut“, wie ein bekannter Spruch des Reformators heißt. Aber immerhin war der Theologe Luther ein Meister seines Fachs, der Althebräisch, Altgriechisch und natürlich auch Latein fast perfekt beherrschte – beste Voraussetzungen für eine Übersetzung ins Deutsche, die Luther mit einer Sprachkraft anging, die uns noch heute Staunen macht.
„Der Joystick der Welt“
Da fällt natürlich Martin Dreyer weit ab. Er ist der Gründer der so genannten „Jesus Freaks“, die ihr eher evangelikal angehauchtes Christentum in einem jugendlichem Slang bekennen, nicht zuletzt bei ihrem jährlichen Festival nahe Gotha. Die Volxbibel ist genau für diese Zielgruppe geschrieben, auch wenn die sich bereits teilweise distanziert.
Aber Dreyer bleibt eisern, denn: „Die Gewissheit, dass es Gottes Wille ist, hatte ich von Anfang an, und sie hat mich auch nie verlassen“, verkündet er im Internet. „Das ist von Gott.“ Außerdem habe ihm schon einmal ein Pastor gesagt: Gott habe ihm gezeigt, er, Dreyer, habe „eine Berufung wie Matthäus, ich sollte meinen Leuten das Evangelium in ihrer Sprache übersetzen“.
Der selbstbewusste Dreyer hofft zudem, dass die Volxbibel über Internet als Open-Source-Bibel von ihren Leserinnen und Lesern nach und nach weiter verbessert und aktualisiert wird. So gebe es „die Chance, dass diese Bibel auch noch in 1.000 Jahren eine junge, aktuelle, angesagte Sprache spricht“.
„Auf die Fresse hauen“
Aber ob das funktioniert? Lebt nicht die Bibel auch von einer gewissen Poesie, die so leicht verloren geht, wenn wenig Berufene sich an ihrer Sprache vergehen? Ein Beispiel: Die Seligpreisung Jesu „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen“ übersetzt Dreyer mit: „Gut drauf kommen die Leute, die niemandem mehr auf die Fresse hauen wollen, denn ihnen wird einmal alles gehören.“
Dabei ist es gerade für protestantisch geprägte Freikirchen bedenklich, wenn sie, wortfixiert wie sie sind, beim Wort so viel Laxheit erlauben. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“, heißt der berühmte Anfang des Johannes-Evangeliums. Die ganze Reformation ist ohne Luthers Grundmaxime – „sola scriptura, solo verbo“, also „allein die Schrift, allein das Wort“ führe zu einem rechtschaffen-gläubigen Leben – nicht denkbar. Weshalb er auch donnerte: „Das Wort sie sollen lassen stahn.“
Wer dennoch Ambitionen zur Schriftstellerei verspüren sollte, dem riet der Reformator: „Du solltest nicht eher ein Buch schreiben, du hättest denn den Furz einer alten Sau gehört“ – denn den hört man offenbar nur sehr, sehr selten.