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Archiv-Artikel

Die unbeugsamen Schwestern

AUS STOLBERG-ZWEIFALLGESA SCHÖLGENS

Fast versteckt zwischen Bäumen und Hecken liegt das Kloster Maria Königin auf einem Hügel in der Nähe des Dorfes. Ein steiler Weg führt quer durch die Felder bis zum weiß getünchten Wohntrakt. Ein buntes Schild mit der Aufschrift „Das Karmelitinnenkloster und Zweifall grüßen zum 50. Jubeljahr“ schmückt das Dach, über der Tür hängt ein Marienbild aus Eisen mit der Inschrift: „Gott allein genügt“.

Durch den kleinen Klosterladen, in dem Honig, Kerzen, Rosenkränze und Kruzifixe verkauft werden, führt eine Treppe ins Sprechzimmer. Es ist einer der wenigen Räume, die Besuchern des Klosters von Stolberg-Zweifall offen stehen. An den Wänden hängen Heiligenbilder, es ist still und ein wenig dämmerig. Das Zimmer wird durch einen Holztresen geteilt. „Früher gab es sogar ein Gitter hier, um eine stärkere optische Trennung zu erreichen“, erzählt Subpriorin Maria Regina. Denn Karmelitinnen leben in strenger Klausur. Auf der einen Seite des Raumes sitzen die Nonnen, die durch eine separate Tür eintreten, auf der anderen die Gäste. Zu ihren Wohn- und Schlafräumen, den spartanisch eingerichteten Zellen, haben nur sie selbst Zutritt. Sie gelten als Orte des Rückzugs, der Besinnung und Meditation.

Doch mit der Ruhe ist es seit zwei Jahren vorbei. Denn das Aachener Bistum will die vier Schwestern aus dem Kloster Zweifall vertreiben – auf Anordnung der päpstlichen Ordenskongregation in Rom. Die Nonnen können das nicht verstehen. „Schon Jesus hat gesagt: ‚Ich bin nicht gekommen, um den glühenden Docht zu löschen‘“, sagt die 54-jährige Maria Regina in ruhigem Ton. „Bis das letzte Mitglied des Konvents gestorben ist, geht auch das Klosterleben in Zweifall weiter, gell, Katharina?“ Schwester Katharina ergänzt: „Die Auflösung des Klosters ist nicht Sache des Bischofs.“

Zu sehen ist von den Schwestern jeweils nur ein fast faltenloses Gesicht hinter großen Brillengläsern, ihre Hände halten sie meist im Gewand verborgen. Katharina spricht mit einem singenden Akzent. Wie die junge Novizin Maria stammt die 40-Jährige aus Polen. Beide kamen vor einigen Jahren auf einen Ruf der Schwestern nach Zweifall, weil ihre Hilfe dort gebraucht wurde. Zum 50-jährigen Bestehen des Klosters in 2005 gratulierte deswegen auch der polnische Botschafter – neben NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Bundespräsident Horst Köhler.

Der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff erkannte die beiden Polinnen nie offiziell als Zweifaller Schwestern an. Ebenso wenig das Amt der vor zwei Jahren neu gewählten Priorin Helena, die seit 50 Jahren in Zweifall lebt und nach dem Weggang einer Schwester die Leitung übernahm. „Der Bischof handelt in voller Absicht, um das Kloster schließen zu können“, sagt Subpriorin Maria Regina. Er unterbinde auch Neuzugänge, obgleich es Anfragen gebe. Die Schwestern vermuten ein Komplott mit der päpstlichen Behörde in Rom. „Der Bischof spekuliert darauf, dass er unseren Besitz verkaufen kann, weil die Kassen leer sind“, sagt Maria Regina.

Das Bistum hingegen behauptet, der Zweifaller Konvent könne durch den Nachwuchsmangel kein karmelitisches Leben mehr führen. Man würde es begrüßen, wenn eine geistliche Gemeinschaft oder karitative Einrichtung die Klostergebäude übernähme. Nach Bestimmungen des Ordens fällt das Vermögen des Klosters an jene Klöster, die die Zweifaller Schwestern aufnehmen. Doch als Anfragen kamen, in welches Kloster die Nonnen versetzt werden wollen, antworteten sie nicht. „Wir haben hier Wurzeln geschlagen. Es ist für uns ein Stück Heimat und Geborgenheit“, sagt Subpriorin Maria Regina schlicht. Energischer fährt sie fort: „Der Herr Bischof soll uns gelten lassen, dann lassen wir ihn auch gelten!“

Wie viele Frauen braucht es überhaupt, um ein Kloster zu führen? „Wir schaffen es zu Viert“, sagt Maria Regina. Das bedeute aber viel Arbeit. Jeden Morgen um Viertel nach fünf raus aus den Federn, um Viertel vor sechs Beten im Kirchenchorraum – Frühstück gibt es erst nach der Messe um halb acht. Dann warten die Hausarbeit und die Arbeit in der Hostienbäckerei, unterbrochen von Gebeten und Unterricht für die Novizin. „Wir haben fast 200 Hostienkunden in Deutschland, Belgien und Holland“, erzählt Katharina stolz. Dadurch ist das Kloster finanziell unabhängig. „Uns gehört jeder Stein und jeder Dachziegel hier.“ Zumindest so lange, wie die Schwestern nicht ausziehen oder den Klosterschlüssel abgeben. Ist das Klosterleben nicht einsam? Vermissen die Schwestern nicht Gespräche mit anderen Menschen? „Nein. Beim Essen dürfen wir ja sprechen und unsere Gedanken austauschen“, sagt Katharina. Weder sie noch die Subpriorin haben ihren Entschluss je bereut, ins Kloster gegangen zu sein. „Ich würde es wieder so machen“, sagt Maria Regina. „Es steckt in einem drin“, ergänzt Katharina, und zeigt auf ihre Brust. „Das ist wie wenn jemand sagt: ‚Dieser Mann ist der richtige für mich und kein anderer!‘ Für mich gab es nur diesen Weg.“

Bislang haben sich die Schwestern allen Anweisungen des Ordensprovinzials und des Bischofs widersetzt. Ende 2004 spitzte sich der Streit zu, als der bischöfliche Domprobst Herbert Hammans und ein Gesandter des Ordens versuchten, die Schwestern unter Druck zu setzen. Die 84-jährige Priorin sollte schriftlich ihr Einverständnis zur Schließung geben. „Helena war gerade zurück aus dem Krankenhaus und sollte zur Unterschrift gezwungen werden“, erzählt Katharina aufgebracht. Als die Besucher den Klosterschlüssel an sich rissen, wussten sich die Schwestern nicht anders zu helfen und riefen die Polizei.

Nun setzt das Bistum wieder auf Gespräche. In welchem Kloster die Frauen künftig unterkommen, solle „möglichst im Einvernehmen“ entschieden werden, sagt der stellvertretende Bistumssprecher Reiner Schirra. Davon wollen die Nonnen aber nichts hören. „Wir lassen uns nicht vertreiben“, sagt die Subpriorin mit fester Stimme. Mit Hilfe eines Anwalts und des Kloster-Freundeskreises wollen sie weiter für ihr Hausrecht streiten.

Unterstützung kommt aus Zweifall und den Nachbargemeinden. Mit Unterschriften, Lichter- und Menschenketten äußerten sie mehrfach ihren Protest gegen die Schließung. Der Stolberger Bürgermeister hat seine Solidarität bekundet. „Es ist eine Schweinerei, wir sind so sauer“, schimpft eine Zweifallerin, die an diesem Tag die Klosterkirche besucht. Die Kirche sei jeden Sonntag brechend voll, die Nonnen fielen niemandem zur Last. Das Bistum habe inzwischen sogar dem Pater Hausverbot erteilt, der täglich aus dem Nachbarort kam, um die Messe zu halten. Die Schwestern geben dennoch nicht auf. „Unsere Ordensgründerin Teresa hat in Spanien für ihr Kloster gekämpft. Genauso werde ich für meine Schwestern kämpfen“, sagt Maria Regina.

Auf dem Hügel ist es inzwischen dunkel geworden. Die Subpriorin erhebt sich: „Jetzt muss ich Abendbrot machen. Wir wollen heute etwas länger beten.“