: „Das ist wie bei Thatcher“
Der Filmregisseur Ken Loach fühlt sich in Deutschland an die 80er Jahre in Großbritannien erinnert: Verelendung, Abbau des Sozialstaates. Gestern wurde er in Bremen für sein Werk ausgezeichnet
Der von der Bremer Sparkasse mit 8.000 Euro dotierte Bremer Filmpreis wird an europäische Kino-Persönlichkeiten verliehen – für ein beispielhaftes, aber längst noch nicht vollendetes Lebenswerk vor oder hinter der Kamera. Gestern nahm ihn der britische Regisseur Ken Loach entgegen. In seinen Filmen macht er wirtschaftliche Mechanismen transparent und bettet politische Musterfälle in menschliche Beziehungslandschaften ein. Sein Stil ist unpeinlich sozialkritisch, krass realistisch, fast dokumentarisch.
taz: Fühlen Sie sich wohl mit Labels wie „letzter Realist“, „linker Gewissensfilmer“, „Leitartikel-Regisseur“?
Ken Loach: Labels vermitteln immer einen begrenzenden, also falschen Eindruck. In diesem Falle den, ich produziere nur deprimierende Bilder, humorlose Geschichten, freudlose Charaktere. Wo doch gerade das Massenpublikum all das im Kino vergessen und seine Traumvorstellungen sehen möchte. Richtig ist aber: Ich kümmere mich um Freiheitsbewegungen, um die Arbeiterklasse, um Unterprivilegierte.
Sie kommen dem Massenpublikum in jüngster Zeit entgegen. In ihrem letzten Film „Just A Kiss“ zeigen Sie, dass sich mit der Anzahl der Nationalitäten auch die Anzahl der Vorurteile und gesellschaftlichen Schranken erhöht hat. Dies aber mit Happy End und schöneren Menschen denn je.
Das ist mein dritter in Glasgow gedrehter Film. Ich wollte es anders machen, keine schwarzweiße Sozialsiedlungstristesse, die Einwanderergeschichte brauchte eine andere Stimmung. Am Inhalt ändert das nichts.
Zu welchem Thema würden Sie in Deutschland einen Film machen?
Bei Ihnen herrschen ja dieselben Probleme, die wir nach dem Regierungsantritt Maggie Thatchers erleben mussten. Ein Staat, der Stärke behauptet und seine Entscheidungsbefugnisse zunehmend verliert, eine Gesellschaft, die ihren Reichtum auf immer weniger Menschen verteilt. Dazu der Abbau des Sozialstaates und gewerkschaftlich erkämpfter Rechte, Arbeitslosigkeit, Verelendung.
Wie bleibt man da optimistisch?
Die Wahrheit des Lebens zu zeigen, kann Mitleid und Solidarität wachrufen, kann ein Bewusstsein gegen die politisch bedingten und ökonomisch bestimmten Regeln des Lebens schärfen. Das ist Aufgabe und Privileg meiner Arbeit: der Ideologie der Zeit zu widersprechen.
Was sind Sie als Regisseur: Entertainer, Didaktiker, Provokateur?
All das, um dem Publikum, das mit seiner persönlichen Geschichte und Meinung ins Kino kommt, neue Erfahrungen zu ermöglichen, Gedanken zu stimulieren, Fragen zu provozieren, Sichtweisen zu verstören. Ich versuche alles zu sein, was beim Zuschauer Engagement wecken kann. Wobei man sich natürlich immer auch Feinde macht.
Sie haben fast alles gewonnen, was im Filmbusiness zu gewinnen ist. Was bedeutet da der Bremer Filmpreis?
Eine Ermutigung und Vergewisserung, wo man als politischer Filmemacher steht. Und eine Überraschung, erstmals von einer Bank Geld geschenkt zu bekommen. Ich unterstütze mit Preisgeldern politische Bewegungen und meinen heimatlichen Fußball-Club Bath City.
Interview: Jens Fischer