: Stiftungen suchen korrekte Geldanlagen
ERTRÄGE Niedrige Zinsen am Kapitalmarkt setzen Stiftungen zu – das befördert die Diskussion um Alternativen und belebt die Debatte über ethisch vertretbare Investitionen. Energieprojekte im Visier
FREIBURG taz | Die geringen Renditen am Kapitalmarkt treffen auch die Stiftungen: Weil die Organisationen oft gemäß ihrer Satzung keine spekulativen Anlageformen für ihr Kapital wählen dürfen, haben viele von ihnen in Staatsanleihen investiert. In der Vergangenheit brachten diese oft Verzinsungen von 4 Prozent und mehr, und sie sicherten den Einrichtungen damit auskömmliche Erträge.
Heute jedoch kommen deutsche Staatsanleihen oft nur noch auf eine Rendite unter einem Prozent, und selbst bei Laufzeiten von zehn Jahren sind bestenfalls 1,5 Prozent drin. Rechnet man zudem die Inflation ein, ist die Rendite damit negativ. Da Stiftungen ihre Arbeit üblicherweise mit dem Ertrag aus ihrem Stiftungskapital finanzieren, stehen sie nun zum Teil vor Problemen. „Viele kleine Stiftungen suchen nach neuen Geldquellen – etwa durch Spenden –, einige müssen derzeit ihre Ausgaben senken“, sagt Katrin Kowark vom Bundesverband Deutscher Stiftungen.
Aber es gibt noch einen zweiten Trend: Die Stiftungen suchen neue Optionen abseits der klassischen Geldanlage – zum Beispiel durch Investitionen in erneuerbare Energien. Damit würde zugleich eine reichlich absurde, aber gleichwohl verbreitete Praxis zurückgedrängt: Viele Stiftungen erwirtschaften Erträge, indem sie Geld in Unternehmen stecken, deren Arbeit ihrem Stiftungsziel zuwiderläuft. Etwa wenn eine Umweltstiftung in einen Fonds investiert, der Aktien einer Atomfirma enthält. Oder wenn eine Stiftung, die Kindern hilft, Firmen finanziert, die Kinderarbeit betreiben.
Seit Jahren schon prangern Kritiker diese Praxis an. Hanna Lehmann, Stiftungsratsvorsitzende der Freiburger Bürgerstiftung und Studienleiterin an der Katholischen Akademie in Freiburg, veranstaltete schon vor mehr als zehn Jahren das erste Seminar zum ethischen Investment. Doch erst jetzt nehme das Interesse zu: „Die geringen Renditen am traditionellen Kapitalmarkt haben die Stiftungen aufgerüttelt“, sagt Lehmann, „jetzt suchen sie nach Anlageformen, die einerseits ihrem Stiftungszweck entsprechen und andererseits auskömmliche Erträge bringen.“
Typisches Beispiel ist die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien, die an guten Standorten ein hohes Maß an Sicherheit für das eingesetzte Kapital bietet. Wenn trotzdem viele Stiftungen noch zögern, dann kann das verschiedene Gründe haben: „Mit Investitionen abseits der klassischen Bankprodukte tun sich viele Stiftungen nach wie vor schwer, weil in den Stiftungsgremien häufig Banker sitzen“, hat Hanna Lehmann beobachtet.
Ein zweiter Grund ist oft schlichte Trägheit. Und der dritte Grund kann bei der Stiftungsaufsicht liegen. Diese nämlich wacht über die Anlage des Kapitals; nicht immer ist sie neuen Anlageformen aufgeschlossen.
Gleichwohl: Die Debatte hat den Stiftungssektor umfasst. Eine Umfrage des Verbandes unter den 200 kapitalstärksten Stiftungen ergab, dass sich 45 Prozent vorstellen können, künftig soziale, ökologische und ethische Kriterien bei der Anlageentscheidung einzubeziehen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Mehr als die Hälfte der Stiftungen kann sich das noch nicht vorstellen.
Um weitere Aufklärungsarbeit zu leisten, hat der Verband nun einen Leitfaden publiziert: „Mission Investing im deutschen Stiftungssektor“. Denn zweckbezogenes Investieren sei sehr wohl mit den treuhänderischen Pflichten von Vermögensverwaltern und Stiftungsvorständen vereinbar. Zumal auf diese Weise mindestens genauso gute Renditen erwirtschaftet werden könnten wie mit traditionellen Investments. Vor allem in der aktuellen Niedrigzinsphase.
BERNWARD JANZING