: Unesco entdeckt „Designed in Berlin“
Die UN-Kulturorganisation Unesco zeichnet die Berliner Designerszene aus. Die Branche wächst, sie hat aber noch Defizite
Berlin darf sich geehrt fühlen und kreativ nennen. Die UN-Kulturorganisation Unesco, die unter anderem die Auszeichnung „Weltkulturerbe“ vergibt, hat Berlin gestern den Titel „Stadt des Designs“ verliehen. Geld bringt diese Ehre zwar nicht – aber internationales Renommee und Aufmerksamkeit. Mit dem Titel wurde Berlin zudem ins Unesco-Netzwerk der kreativen Städte aufgenommen. Zu diesem gehören neben Berlin auch Buenos Aires (Argentinien) als Stadt des Designs, Edinburgh (Schottland) als Stadt der Literatur, Santa Fé (New Mexiko) und Assuan (Ägypten) als Städte der Volkskunst und Popayan (Kolumbien) als Stadt der Gastronomie. Zweck des Unesco-Netzwerkes ist die Förderung von Pluralismus und Kreativität als Elemente wirtschaftlicher Entwicklung.
Für die Auszeichnung haben sich rund 30 Städte beworben, so Unesco-Vertreterin Arian Hassani. Berlin habe den Titel „Stadt des Designs“ erhalten, weil es hier nicht nur drei oder vier große Designfirmen gebe, sondern eine intensive Zusammenarbeit zwischen privaten, öffentlichen und gesellschaftlichen Akteuren. Wichtiges Unesco-Anliegen sei, dass die Netzwerk-Städte untereinander Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig unterstützen.
Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS) freut sich über die Unesco-Auszeichnung. „Das ist ein guter Tag für Berlin“, so Wolf. Die Auszeichnung unterstütze die kreative Aufbruchstimmung, die viele Unternehmen und Akteure erfasst habe. Berlin, das an die Design-Tradition der „Goldenden Zwanzigerjahre“ anknüpfe, sei inzwischen die deutsche Designstadt mit der größten Produktivkraft. Und ein ernst zu nehmender Wirtschaftsfaktor: Die Branche erwirtschaftet nach Wolfs Angaben rund 1,4 Milliarden Euro Umsatz im Jahr, mehr als 10.000 fest Angestellte verdienen in diesem Bereich ihre Brötchen. Mit über 6.300 Unternehmen existiere in Berlin eines der stärksten Design-Cluster in Europa. Messen wie die „Bread and Butter“ im Bereich Mode oder Events wie der „Walk of Fashion“ kennt mittlerweile sogar das breitere Publikum in Berlin.
Die Gründe für den Aufschwung der Kreativwirtschaft sind vielfältig. Berlin strahlt, zumindest in der Innenstadt, eine weltoffene Atmosphäre aus. Die Szene kann mit Unis und Messe-Veranstaltern zusammenarbeiten. Und: Die günstigen Mieten für Ateliers und Wohnungen und die vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten locken Kreative aus Deutschland und aller Welt an. Denn weil Berlin billig ist, lässt sich eine Durststrecke ohne bezahlte Aufträge leichter überstehen als etwa in Hamburg, Amsterdam oder London.
Kaufkraft zu niedrig
Dennoch gibt es strategische Defizite, die der Branche in Berlin zu schaffen machen. Zunächst ist die regionale Kaufkraft für die Designprodukte zu gering. Anders gesagt: Berlin ist billig, weil es arm ist – aber Arme kaufen sich keine teuren Designmöbel oder -hosen, sondern gehen zu Ikea oder H&M. Zudem gibt es in Berlin zu wenige große Produzenten, denen Designer ihre Dienstleistungen anbieten könnten.
Für Wirtschaftssenator Wolf, der sich über die Verlagerung des VW-Designzentrums nach Berlin freut, liegt die Lösung dieser Probleme auch im Ausland. Dazu müsse allerdings die internationale Vermarktung von Design aus Berlin verbessert werden, so Wolf. Weil sich gerade kleine Firmen keine teuren Messeauftritte leisten können, will die Senatswirtschaftsverwaltung gemeinsame Messestände – etwa in Mailand, Paris und Berlin – in Zukunft finanziell verstärkt unterstützen. Zudem soll die Ansiedlung von Agenturen, Showrooms und Vertriebsfirmen gefördert werden. RICHARD ROTHER