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Archiv-Artikel

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Ein feinsinniger Film über brüchige Nachkriegsbiografien: „Drei Schwestern Made in Germany“ (20.40 Uhr, Arte)

Löschen werden sie sich nicht lassen, schon gar nicht zwei Jahre nach Kriegsende. Die persönlichen Traumata aus der Nazizeit sind eingeschrieben, das Leben im Trümmerland Deutschland bietet 1947 nur wenig Bilder, die stärker wären, um die alten wenigstens zu überdecken. Das weiße samtene Brautkleid, das Freya Sonnenberg tragen wird, an diesem ihren besonderen Tag, mit dem sie vor den Traualtar ziehen wird, unter den Blicken der schwäbischen Kleinstadtgemeinde, ist eines dieser seltenen Accessoires, die ein starkes Symbolbild ausmachen könnten.

Nicht nur Freya selbst, die den amerikanischen Standortkommandanten heiraten wird, auch ihre beiden Schwestern Nora und Guddi – also jede der „Drei Schwestern Made in Germany“, der drei Töchter des letzten Bürgermeisters vor der Machtübernahme der Nazis – projizieren ihren Traum vom neuen Leben in diese Hochzeit. Die große Schwester Nora, deren fürsorgliche Mutterrolle Barbara Rudnik gut zu Gesicht steht, erhofft sich ein Gegenbild zur erzwungenen Abdankung des Vaters; eine Versöhnung, auch mit ihrer großen Liebe, dem jüdischen Schwarzmarkthändler, dem sie als KZ-Zwangsarbeiter geholfen hatte. Die Immer-die-kleine-Schwester Guddi, der Mavie Hörbiger einen hysterischen Fräulein-Wunder-Charme verleiht, will endlich zur Schwestern-Verschwörung dazugehören. Und schließlich Freya, eine flatterhafte Opportunistin mit dem großen Lebenstraum Amerika, die Karoline Eichhorn mit Vamp-Attitüden versieht.

„Made in Germany“ ist nicht nur ihr neuer Lebensentwurf, den der Krieg mit „seinem stinkenden Geruch“ immer begleiten wird. Mit „Made in Germany“ verweist Regisseur Oliver Storz auch auf den Mythos vom Wirtschaftswunderland, das sich verdrängt und damit wieder an die Spitze gedrängt hat. Storz, der sich mit Nachkriegsfilmen wie „Drei Tage im April“ bereits als feinsinniger Bildchronist ausgezeichnet hat, zeigt hier, wie leicht und unterhaltend der schwere Geschichtsstoff sein kann, ohne in die derzeit so beliebte Verkitschung der Nachkriegszeit einzustimmen. Golden waren, wenn überhaupt, nur die Saxofone der amerikanischen Musiker, die Teil des Zivilisierungsprojektes namens „Westen“ waren – solange sie nicht „zu den Negern“ gehörten. Auch so kann „umgedacht“ werden.

Wie brüchig jeder der drei Frauenträume vom Neuanfang ist, zeigt ein anderes Bild, das rasch auftaucht und sich in die Hochzeitsinszenierung drängt. Der Fotograf, ein exzellent schmierig verdruckster Matthias Brandt, der Freya mit einem Goebbels-Flirt-Bild erpresst, steht mitten unter der Hochzeitsgesellschaft. Auch das Überschreiben der Bilder bleibt ein Lebensprojekt. Aber manchmal geht es gut. SUSANNE LANG