: Der Untergang der Umweltpolitik
Noch nie stand es um die Hamburger Umweltverwaltung so schlecht wie heute. Und der Kahlschlag soll weitergehen. Das beweisen neueste Pläne des CDU-Senats, die von der taz hamburg veröffentlicht wurden. Ein Debattenbeitrag
Von Hans-Detlef Schulze
Seit mehr als 30 Jahren bin ich in Hamburg als Landschaftsarchitekt und Umweltschützer aktiv. Es war mir damals – Ende der siebziger Jahre – vergönnt, am Aufbau der Umweltbehörde mitwirken zu dürfen. Umso mehr schmerzt es mich, seit mehr als zehn Jahren miterleben zu müssen, wie diese ehemals starke Umweltverwaltung schleichend entmachtet wird. Merkbar wird die Tendenz insbesondere bei den Umstrukturierungen nach jeder Neuwahl – meist einhergehend mit einem Stellen- und Mittelabbau.
Es fing 1991 an mit der Übergabe des Amtes für Landschaftsplanung von der Umweltbehörde an die neu gegründete Behörde für Stadtentwicklung. Es ging weiter mit der Zusammenlegung der Baubehörde mit der Stadtentwicklungsbehörde. Die Zuständigkeiten für die Wälder und die ökologische Landwirtschaft wurden in die Wirtschaftsbehörde verlagert, die Kompetenz für Naturschutzgebiete in die Bezirke.
Der politische Dolchstoß
Der eigentliche politische Dolchstoß war, dass mit Amtsantritt des allein regierenden CDU-Senats 2004 die Behörde für Umwelt (und Gesundheit) mit Zustimmung der Bürgerschaft vollständig im Bauressort aufging und der Senatorenposten eingespart wurde. Seit 2004 firmieren die vormals eigenständigen Umwelt-, Bau- und Stadtentwicklungsbehörden nun unter dem Namen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Die Umweltsparte wird nur noch durch eine Staatsrätin vertreten.
Regelmäßig wurde jede dieser Verschlechterungen – ich betone diese Bewertung bewusst – von den Initiatoren aber auch von Teilen der Betroffenen als notwendige Veränderung propagiert. Jedes Mal versuchte man mir zu erklären, in den vorgenommenen Umstrukturierungen lägen doch auch Chancen. Ich frage mich bis heute, warum sie nie genutzt wurden! An strategische oder strukturelle Verbesserungen der Situation von Umwelt- und Naturschutz durch diese zahlreichen Reformen kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.
Neues Ungemach
Nun droht erneut Ungemach. Als Weihnachtsgeschenk präsentierte die Leitung der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt ein neues Umstrukturierungspaket. Das Instrumentarium der Eingriffs- und Ausgleichsregelung soll unter die Kontrolle des Baurechtsamtes gestellt werden. Die Grünflächen- und die Landschaftsplanung sollen mit der Stadtplanung weiter fusionieren und bis Mai 2006 integrativ zusammengelegt werden – alle waren einstmals durch eigenständige Ämter vertreten. Jetzt soll die bisherige Umweltstaatsrätin auch die Stadtplanung nach außen präsentieren.
Begründet wird die Zersplitterung in der Regel damit, dass Umweltschutz eine Querschnittsaufgabe sei. Das ist zwar korrekt, aber diese Feststellung rechtfertigt eben nicht, die diesen Bereich vertretende eigenständige Behörde zu zerschlagen und den Senatorenposten ersatzlos zu streichen. Wäre das Argument richtig, dass Behörden mit Querschnittsaufgaben kein eigenes Vertretungsrecht durch einen Senator brauchen und dass deren Aufgaben gleichmäßig in der Gesamtverwaltung verteilt werden können, dann könnte man auch die Finanzbehörde auflösen. Oder auch die Wirtschaftsbehörde.
Stadtplanung auf der einen und Landschaftsplanung auf der anderen Seite sind vorrangig erst einmal eigenständige Fachaufgaben zur Findung, Wertung und Darstellung der jeweiligen gesamtgesellschaftlichen Werte und Entwicklungen. Zwischen beiden gibt es logischerweise intensivste Wechselbeziehungen. Beide müssen eigenständigen fachlichen Ansprüchen genügen, die sich aus der Sache heraus auch widersprechen können, und aus denen sich eine politische und gesellschaftliche Abwägung mit anschließender konfliktbereinigter Entscheidung ergibt.
Die jetzt von der Leitung der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt vorgelegten Vorschläge zur internen Umstrukturierung führen dazu, dass diese Konflikte nicht mehr ausgetragen werden können. Die Vorschläge sind in dieser Form indiskutabel und im Grundsatz abzulehnen.
Vorrang der Ökonomie
Ich persönlich bin immer noch der Auffassung, dass Ökologie Vorrang vor Ökonomie haben sollte. Aber selbst wenn man die allgemein vertretene These der Gleichrangigkeit von Ökologie und Ökonomie zur Grundlage behördlicher Strukturen machen würde, gibt es nur die eine richtige Grundentscheidung: Solange es für die Ökonomie eine eigenständige Wirtschaftsbehörde mit einem eigenen Senator in Hamburg gibt, muss dieses auch für den Bereich der Ökologie in Form einer eigenständigen Umweltbehörde mit einem eigenen Umweltsenator gelten.
Der Bürgerschaft sollte sehr deutlich werden, dass die damalige Zustimmung zur Bildung der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt der vorläufige Tiefpunkt einer Kette von Fehlentscheidungen von gesamtpolitischer Bedeutung bleibt. Es war eben nicht nur die Absegnung einer unbedeutenden Strukturanpassung, die sowieso im Zuständigkeitsbereich des Senats liegt. Vielmehr ging es hier in Wahrheit um die „Balance of Power“ zwischen Ökonomie und Ökologie, die eindeutig und ausschließlich zu Ungunsten der Umwelt entschieden wurde.
Entwicklung umkehren
Diese Entwicklung umzukehren, kann nur die Mehrheit des Parlamentes erreichen. Die Umweltsprecher der verbliebenen drei Fraktionen sind diese Mehrheit nicht. Soll heißen, hier sind alle Parlamentarier gefragt. Lehnen Sie die Umstrukturierung ab! Setzen Sie ein Signal zur Richtungsänderung, um die Wiederherstellung einer gleichwertig starken eigenständigen Umweltbehörde in und für Hamburg zu erreichen!
Andernfalls müssten Sie sich unterstellen lassen, bewusst und vorsätzlich die Umweltbelange geschwächt oder in Teilen sogar eliminiert sehen zu wollen. Und das alles zu Gunsten einer uneingeschränkten, unbremsbaren Vorfahrt für Wirtschaft und Bauen. Damit verließen Sie den immer noch mehrheitlich akzeptierten Leitgedanken von der Gleichrangigkeit der Ökologie und Ökonomie zumindest für Hamburg endgültig.