Rückführung um jeden Preis?

Seit seiner Amtseinführung versucht der Bremer Innensenator, wegen Krankheit geduldete Flüchtlinge abzuschieben. Sein neuester Dreh: Arzt-Gutachten aus Hamburg

Bremen taz ■ 380 Menschen leben derzeit in Bremen, die nicht abgeschoben werden können, weil sie – zum Teil schwer – krank sind. Dem Bremer Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) lässt dieser Umstand offenbar keine Ruhe. Schon kurz nach seiner Amtseinführung vor knapp drei Jahren nennt er psychische Erkrankungen ein „typisches Problem“ bei Abschiebungen und erklärt, derartige Hindernisse beseitigen zu wollen. Im September 2003 kritisiert er den Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes, weil dieser Flüchtlingen posttraumatische Belastungsstörungen attestiert hatte. Röwekamp kündigt an, zu prüfen, „in welchem Umfang solche ärztlichen Stellungnahmen erforderlich“ seien.

Im Januar 2004 unternimmt er einen ersten Vorstoß – und scheitert. Im Fall des Togoers John Agbolete wird ein Gutachten zur Feststellung der Reisefähigkeit – auf außerordentliche Weisung des Innensenators persönlich – nicht wie üblich durch das Gesundheitsamt, sondern von einem pensionierten Psychiater erstellt. Zuvor hatte ein niedergelassener Facharzt eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt. In dem Gutachten des pensionierten Arztes wird Agbolete für reisefähig erklärt. Das Verwaltungsgericht Bremen entscheidet jedoch kurz darauf, ein Drittgutachten beim Gesundheitsamt einzuholen, weil das Privatgutachten zahlreiche fachliche Mängel aufweise. Daraufhin lässt Röwekamp Agbolete zunächst verhaften, muss ihn kurz danach aber wieder auf freien Fuß setzen lassen.

Im November 2005 kündigt er in einem Brief an Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) an, „den ärztlichen Dienst in Hamburg auch für die Begutachtung bremischer Fälle zu nutzen“. Der „Ärztliche Dienst“ der Hamburger Ausländerbehörde war in der Vergangenheit mehrfach heftig von Flüchtlingsorganisationen wegen seiner rigorosen Begutachtungspraxis kritisiert worden (siehe unten „Auch dieser Fall ist lösbar“). In der Bürgerschaft räumt Röwekamp Mitte Dezember ein, kurz zuvor drei Gutachten nach Hamburg vergeben zu haben. Ein Vertreter des Innensenats spricht von „einem Probelauf“, eine Entscheidung über das Verfahren sei insgesamt noch nicht getroffen.

Im Januar werden Berichte bekannt, nach denen MitarbeiterInnen der Bremer Ausländerbehörde Flüchtlingen angedroht hatten, ihre ärztlichen Atteste in Hamburg überprüfen zu lassen. Dabei sei den zum Teil schwer traumatisierten Flüchtlingen erklärt worden, ihr Abschiebeschutz werde danach sicherlich aufgehoben und sie könnten schon mal „die Koffer packen“.

Christian Jakob