: Stallpflicht für Köter
Wundersame Folgen einer Seuche: Wenn die Vogel- eine Hundegrippe wäre
Da liegt der Hund, nein, leider nicht begraben, sondern mitten im Café. Wer zum Klo will, muss über ihn rüber. Seine Halterin merkt nichts. Ihre Töle darf sich da breit und lästig herumfläzen und jetzt abermals trägen Auges registrieren, wie schon wieder jemand über sie hinwegsteigen muss. Ein älterer Herr ist’s, gehbehindert. Wird Frauchen wenigstens jetzt das Tier von seinem Liegeplatz verscheuchen? Es denkt gar nicht daran. Nippt unbeeindruckt an seinem Kaffee, stippt ungerührt einen Keks in das Getränk, saugt gleichgültig an einer Zigarette.
Das mit ansehen müssen und sich wünschen: „Ach, wäre doch die Vogel- eine Hundegrippe“ ist eins. Ja, hätte sich doch Kamerad H5N1 den Hund zum Wirtstier genommen. Das Wort „Stallpflicht“ hätte gleich einen lieblicheren Klang, und dem Damoklesschwert namens „massenweise Keulung“ haftete überhaupt nichts Bedrohliches mehr an. Und vor allem: Dieses an sich nette Café an der Elbe winterlichem Strand wäre tatsächlich ein nettes, weil garantiert hundefrei.
Dann erlebte es jetzt nicht noch den Auftritt dieses partnerlookbeanorakten Ehepaares. Auch sie führen einen nicht zu kleinen, zudem schneematschnassen Hund mit sich und selbstverständlich mit rein in die warme Stube, statt ihn draußen anzuketten, wie man das eigentlich erwarten dürfen sollte, und zwar in sämtlichen gastronomischen Einrichtungen dieser Welt. Erst recht, wenn sich Menschen darin befinden, die trinken, speisen und einander zugetan sein wollen, ohne dabei den Anblick und Geruch eines feuchten Köters zu ertragen.
Der aber gerade ins Café gehechelt kam, muss sich jetzt erst mal kräftig schütteln. Und darf dies inmitten der dicht besetzten Tische. Schau nur, welche Mengen angefeuchteten Unrats dabei aus seinem dichten Winterfell abgehen. Deutlich kann man eine immense Brocken-, Flusen- und Tropfenwolke aufsteigen und weiträumig sich im Café verteilen sehen. Und guck mal, und haste es nicht eben halbwegs schon geahnt: Jetzt fährt da der mittlerweile am Tisch seiner Besitzer Sitz machende Rüde auch noch spitz und rosa sein Ding aus. Da hilft nur noch eins: „Ober, bitte zahlen.“
Ehe der aber die Rechnung bringen kann, kommt sein Lokal vollends auf den Hund. Zum Kloganglieger und zum Pimmelzeiger gesellt sich nun auch noch ein kleinerer dritter, eher kurzbeiniger Zausel. Als Freigänger wedelt der plötzlich in die Gaststube hinein, von einem Herrchen oder Frauchen ist weit und breit nichts zu sehen. Und schon geht das Theater los: Kaum hat der Pimmelzeiger den Neuankömmling erspäht, stürzt der sich mit einem knurrend-gurgelnd-krachenden Geräusch in dessen Richtung. Die Leine, die ihm seine Besitzer zum Glück ließen, spannt so stramm, dass man sie meint sirren zu hören. Ohne sie hätte es jetzt ein Gemetzel gegeben. Trotzdem darf der Angeleinte den anderen noch eine Ewigkeit lang mit geblecktem Gebiss und belfernd ankläffen, ohne dafür auch nur einmal die Eier malträtiert oder sonst wie Mores gelehrt zu bekommen.
Nichts wie raus aus dieser Hundehütte! Und noch einmal deutlich diesen Wunsch formuliert: Wenn schon eine gefährliche Tiergrippe sein muss, dann bitte eine, deren konsequente Bekämpfung es erforderte, den Hund so dingfest als möglich oder aber ihm gleich den Garaus zu machen, dem gefährlichen Virenüberträger … – bei diesem Gedanken überkommt einen allerdings jähes Erschrecken: Müsste man in Analogie zur Vogelgrippe und der von ihr favorisierten Expansionsart durch Vogelzug nicht auch bei einer Hundegrippe davon ausgehen, dass es unter den Hunden Zugtiere gibt? Hundearten also, die im Herbst gen Süden aufbrächen und im Frühjahr in den Norden zurückkehrten und auf diese Weise den ursprünglich aus asiatischen Hundebeständen stammenden Erreger bei uns einschleppten?
Zughunde! Eine beklemmende Vorstellung. Allein das Bild einer großen Schar aufgeregt durcheinander kläffender Wildhunde, die sich vor ihrem Marsch in den Süden auf den angestammten Sammelplätzen in Mecklen- oder Brandenburg zusammenrotten, um schließlich wie auf einen unhörbaren Befehl hin massenweise aufzubrechen und sich in den für sie so typischen Formationen auf den Weg zu machen …
Und dann noch diesem, ebenfalls der Analogie zur Vogelgrippe geschuldete Vision: die nämlich vom illegal eingeführten Hundefleisch. Aus Koffern asiatischer Reisender gezerrte Hundefleischkonserven, Großcontainer randvoll mit rohem Hundefleisch aus China. Welch furcht- und ekelerregende Fiktion!
Und doch. Es hilft nichts. Die Hundegrippe muss her. Denn sieh nur, was da jetzt auf dem dämmrigen Elbwanderweg angehechelt und angesprungen kommt: Ein Trumm von Hund. Unangeleint. Sein Besitzer, hundert Meter weg vom Geschehen. „Keine Angst!“, ruft er erwartungsgemäß, „der will nur spielen!“ Wäre die Vogel- eine Hundegrippe, dürfte er das die längste Zeit gewollt haben. FRITZ TIETZ