Abschiebeflieger können abheben

Bundesgerichtshof urteilt: Flughafenverbot für Abschiebungsgegner war rechtmäßig. Betreiber darf Störungen des Flugverkehrs abwenden. Normale Demonstrationen auf dem Flughafen sind demnach jedoch nicht verhinderbar

VON CHRISTIAN RATH

Der Frankfurter Flughafen darf Demonstrationen im Terminal verbieten, wenn sie den Betriebsablauf stören. Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil. Im Ergebnis hat damit das Hausrecht des Flughafenbetreibers Fraport Vorrang vor der Versammlungsfreiheit von Abschiebungsgegnern.

Geklagt hatte Julia Kümmel, eine Aktivistin des Aktionsbündnisses gegen Abschiebungen Rhein-Main. Mit fünf Mitstreitern hatte sie im März 2003 zu verhindern versucht, dass ein Kurde außer Landes gebracht wird. Zufällig wusste sie, mit welchem Flug der abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden sollte. Am entsprechenden Lufthansa-Counter verteilten die Abschiebungsgegner Flugblätter an die Mitpassagiere und versuchten, über das Lufthansa-Personal den Piloten darauf aufmerksam zu machen, dass der Kurde sich gegen die Abschiebung wehrte.

Die Fraport nahm die Aktion zum Anlass, Julia Kümmel und anderen Demonstranten ein begrenztes Hausverbot zu erteilen. Sie darf den Flughafen nur noch betreten, um zu fliegen oder die Shops zu besuchen, ansonsten soll sie sich aber vom Gelände fern halten. Wenn sie noch einmal auf dem Flughafen demonstriert, droht ihr eine Strafanzeige und eine Verurteilung wegen Hausfriedensbruch.

Doch Kümmel klagte gegen dieses Hausverbot. „Ich will dort gegen Menschenrechtsverletzungen demonstrieren, wo sie stattfinden“, sagte sie gestern vor dem BGH. Jeden Tag würden auf dem Frankfurter Flughafen zwanzig bis dreißig Abschiebungen abgewickelt. Im Fall der Iranerin Zarah Kameli, der in der Heimat die Steinigung drohte, demonstrierten im Februar 2005 immerhin rund hundert Menschen im Flughafen, bis sich der Pilot weigerte, die Frau und ihre Bewacher zu befördern. Inzwischen hat die Iranerin ein Bleiberecht in Deutschland.

Flughafenbetreiber Fraport hat allerdings kein Verständnis für solche Aktionen und sieht sie als „Störung“ des Betriebsablaufs. „Nicht Fraport schiebt ab, sondern die Behörden“, argumentierte der Betreiberanwalt Achim von Winterfeld. Das Unternehmen müsse solche Demonstrationen nicht dulden.

Der BGH gab Fraport nun im Wesentlichen Recht und bestätigte damit die Vorinstanzen. Das Hausrecht erlaube es, so die Richter, Aktionen zu untersagen, „die geeignet sind, die Abwicklung des Flugverkehrs zu stören“. Und der BGH unterstellte, dass es Julia Kümmel und dem Aktionsbündnis genau hierauf angekommen sei. „Die Klägerin wollte einen Solidarisierungseffekt unter den Passagieren erzielen, der mindestens zu einer Verzögerung des Abflugs führen sollte“, argumentierte der Vorsitzende Richter Wolfgang Krüger. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass Fraport normale Demonstrationen, bei denen es vor allem um die Meinungsäußerung geht, nicht mehr unterbinden kann.

Dabei ließ der BGH offen, ob Fraport unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist. Betreiber-Anwalt von Winterfeld hatte dies abgelehnt („Fraport ist ein Privatunternehmen wie jedes andere“), während Kümmels Anwalt Arn Osterloh darauf hinwies, dass Fraport überwiegend im Besitz der öffentlichen Hand ist. Für die Richter kam es darauf aber nicht an, weil das Eigentumsrecht von Fraport gegenüber potenziellen Störungen des Flugbetriebs so oder so den Vorrang habe.

Am Morgen hatten Aktivisten eine Mahnwache vor dem BGH abgehalten und proklamierten, der von jährlich 50 Millionen Reisenden genutzte Rhein-Main-Airport sei öffentlicher Raum und kein Privatbesitz. „Der Flughafen ist nicht der Fraport ihr Wohnzimmer“ stand auf dem Transparent. (Az.: V ZR 134/05)