: Terror in Zeiten des Smartphones
LONDON Alarm in Großbritannien, nachdem ein Soldat mitten auf der Straße brutal mit einem Fleischerbeil ermordet wurde. Anschließend luden die Täter Passanten ein, sie mit ihren Handys zu filmen
DUBLIN/LONDON/BERLIN taz | 1.200 zusätzliche Polizisten patrouillieren auf Londons Straßen, vor der Militärkaserne in Woolwich im Osten der Stadt liegen Blumen. Der britische Premierminister David Cameron spricht von einem „Angriff auf Großbritannien“, der britische Muslimrat von einer „Beleidigung des Islam“.
Die brutale Ermordung eines britischen Soldaten im Ostlondoner Stadtteil Woolwich am Mittwochnachmittag durch zwei Londoner nigerianischer Abstammung hat Großbritannien schockiert. Es war der erste islamistisch begründete tödliche Angriff seit den Bombenanschlägen in London vom 7. Juli 2005, bei denen 55 Menschen starben.
Die beiden Täter waren dem Soldaten aus der Artilleriekaserne in Woolwich mit einem Auto gefolgt und hatten zunächst versucht, ihn zu überfahren. Als das misslang, stiegen sie aus und töteten den Mann mit Macheten und Fleischermessern. Danach ließen sie sich von Passanten filmen und fotografieren und gaben Statements ab, bis die Polizei kam und sie anschoss. Die beiden Täter wurden in zwei verschiedene Krankenhäuser gebracht, einer von ihnen schwebt in Lebensgefahr.
Noch in der Nacht zum Donnerstag durchsuchte die Polizei ein Haus in Saxilby in Lincolnshire, wo die Familie eines der Täter wohnt. Zwei seiner Schwestern, eine ältere Frau und ein Teenager sollen laut eines BBC-Berichts zur Vernehmung auf ein Polizeirevier gebracht worden sein. Auch in Greenwich, dem Nachbarviertel Woolwichs, und in anderen Teilen Londons wurden Häuser durchsucht.
Bisher rätselt die Polizei, ob es sich bei den beiden Tätern um Einzeltäter oder um Mitglieder einer Organisation handelt. „Da die Täter in diesem Fall überlebt haben, kann man sie verhören“, sagte Baronin Neville-Jones, die ehemalige Vorsitzende des Sicherheitsausschusses. „Wir werden eine Menge an Informationen erhalten.“
Zumindest einer der beiden wurde vom Führer der radikalislamistischen Gruppe „Muhajiroun“ in Großbritannien als ehemaliger Aktivist identifiziert, der aber vor zwei Jahren aufgehört habe, zu Treffen der Gruppe zu kommen.
Die Sicherheitsorgane befürchten nun, dass der Soldatenmord die Spannungen in ethnisch gemischten Gegenden Großbritanniens vergrößern werde. Die meisten muslimischen Organisationen des Landes verurteilten die Tat scharf. Farooq Murad vom Muslimischen Rat sagte: „Wenn Angriffe wie dieser passieren, besteht immer die Gefahr, dass Rechtsextreme das ausnutzen wollen. Wir sind gegen jede Art von Extremismus.“ Julie Siddiqi von der Islamischen Gesellschaft warnte ebenfalls vor den Reaktionen rechtsextremer Gruppen. Die gab es auch prompt: In der Nacht zum Donnerstag tauchten mit Messern bewaffnete Männer in zwei Moscheen in Braintree und Gillingham auf. Sie wurden festgenommen. RASO, D.J.
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