: Schrittmacher für Schlachtabfall
Sind Tierversuche passé? Ein Gepräch mit dem Bremerhavener Medzintechnik-Professor Olaf Eick über die Idee, an Organen von toten Schlachttieren zu forschen – anstatt an extra Versuchstieren
taz: Sie wollen auf Versuche an lebenden Tieren verzichten – und statt dessen Organe von Schlachttiere für die Forschung verwenden. Warum ist es besser, einem Tier vom Schlachthof das Herz herauszureißen?
Prof. Dr. Olaf Eick: Weil dafür kein Versuchstier geopfert werden muss. Wir entnehmen von einem geschlachteten Tier, das weiterhin zum Verzehr verarbeitet wird, ein Organ, das ansonsten nicht mehr gebraucht werden würde. Diese Organ, in unserem Fall ein Schafsherz, präparieren wir wie bei einer Organtransplantation und bringen es im Labor wieder zum Schlagen.
Hat das Schaf noch gelebt, als sie ihm das Herz entnommen haben?
Nein. Wir greifen überhaupt nicht in den Schlachtprozess ein. Das Schaf wird getötet, weil es für den Verzehr bestimmt ist. Erst nach dem Tod des Tieres wird das Herz entnommen.
Ansonsten wäre das Herz weggeworfen worden?
Ja, es gibt nur wenige Menschen, die Schafsherzen essen. Das gilt als Abfall.
Also so eine Art Resteverwertung für die Forschung?
Ja, das ist ja das Elegante an dieser Methode.
Funktioniert ihr Modell auch mit anderen Organen?
Die Idee ist nicht neu. Es gibt auch in der Berliner Charité eine Forschergruppe, die im letzten Jahr Organe vom Schwein entnommen und revitalisiert haben, um damit Versuche durchführen zu können.
Klappt das auch mit dem Hirn?
Nein.
Also kein Ersatz für die Affenversuche an der Bremer Uni.
Man muss sich von der Illusion frei machen, dass man auf diese Art und Weise gänzlich auf alle Arten von Tierversuchen wird verzichten können. Es wird immer Fragestellungen geben, die man nicht an einem isolierten Organ beantworten kann – beispielsweise, wenn es um Pharmazeutika geht. Aber bei uns, wo es gerade um die Entwicklung der Herzschrittmacher geht, kann man mit einem solchen Modell besser arbeiten als mit einem Tierversuch, wo man sich dem Herzen erst einmal nähern muss. Aber wenn man wenigstens auf einen Teil der Tierversuche verzichten kann, sind wir schon einen ganzen Schritt weiter gekommen.
Aber ist es nicht paradox, sich über die Versuchstiere solche Gedanken zu machen, wenn gleichzeitig täglich Millionen von Tieren geschlachtet werden?
Ja, unter Umständen schon.
Also geht es bei Ihren Tierversuchen eher um das humanere Sterben?
Ich würde bei unserem Modell nicht von Tierversuchen sprechen. Das Tier wird auch nicht gequält. Es geht nur um ein isoliertes Organ, das entnommen wird, nachdem es geschlachtet worden ist.
Wie sehen jetzt ihre weiteren Versuchsschritte aus?
Wir werden heute einen weiteren Versuch durchführen. Jetzt müssen wir erst einmal beweisen, dass unser Modell auch stabil ist und brauchbare Versuchsergebnisse liefern kann. In einem halben Jahr wollen wir mit einem Unternehmen zusammenarbeiten und die ersten medzintechnischen Produkte an diesem Modell untersuchen, also etwa Herzschrittmacher.
Aber könnte es nicht sein, dass durch ihr Modell Tierversuche für kosmetische Zwecke wieder hoffähig werden?
Das kann ich nicht sagen.
Nun spart so ein Modell ja auch eine Menge Geld.
Die Idee kam mir in meiner früheren Berufstätigkeit, wo ich bei einem amerikanischen Unternehmen gearbeitet habe und auch in Tierversuche involviert war. Schon zu der Zeit habe ich darüber nachgedacht, ob es nicht Ersatzmodelle gibt. Diese Idee hat mich fasziniert.
Steckt eher eine wirtschaftliche Motivation hinter ihrem Projekt?
Nein, für mich stand ganz klar die ethische Motivation im Vordergrund. Fragen: Jan Zier