: Das Mietshäuser-Syndikat
KOLLEKTIV Die Zahl der Gemeinschaftshausprojekte steigt. Eine Alternative zur privaten Bauwirtschaft?
Es ist ein Spagat zwischen Karl Marx und Kapitalismus: Selbstverwaltete Kollektive entreißen der Privatwirtschaft Kapital und fördern gleichzeitig das Gemeinwohl. Wie das funktioniert, zeigt ein Verbund von derzeit 72 Hausprojekten.
Die Idee: Ein selbstorganisierter Hausverein kauft eine Immobilie und schließt ihren Wiederverkauf dauerhaft aus. Gleichzeitig legen die Mieter Geld für neue Hausprojekte auf die Seite und fördern somit weitere „Kapitalentzüge“. Doch was passiert, wenn alternde Kollektive ihr Haus doch lieber in eine Altersvorsorge verwandeln wollen oder ihre Unterstützung für neue Projekte zurückziehen?
Um dies auszuschließen, haben sich die 72 Hausvereine unter einem Dachverband zusammengeschlossen, dem „Mietshäuser Syndikat“, der über diese Dinge wacht. Der Verein aus Freiburg hat sich zum Ziel gesetzt, das Recht auf Wohnraum für alle in die Tat umsetzen.
Dazu berät und unterstützt das Syndikat seit 1992 selbstorganisierte Hausprojekte beim Kauf von Immobilien. Als Gegenleistung verpflichten sich die Hausvereine, in einen Sozialfonds für neue Projekte einzuzahlen. Der Solidarbeitrag beträgt 10 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche und steigt jedes Jahr. Dahinter steht der Gedanke, dass Altprojekte dann stärker belastbar sind, wenn der Hauskredit weitgehend abbezahlt und die Zinslast zurückgegangen ist. Neben der monatlichen Abgabe sollen etablierte Hausvereine den Neuprojekten auch beratend zur Seite stehen, mit Know-how und öffentlicher Unterstützung.
Das Hauptanliegen der Syndikat-Gründer ist es, die Reprivatisierung der Immobilien zu einem Zeitpunkt zu verhindern. Dazu setzt das Mietshäuser Syndikat auf gegenseitige Kontrolle. Die aufgenommenen Hausprojekte müssen den Dachverband zum gleichberechtigten Gesellschafter der Immobile machen. Somit räumen sie ihm ein Vetorecht beim Hausverkauf oder beim Zugriff auf das Immobilienvermögen ein. Die Eigentumsrechte der Immobilie bleiben zwar in der Hand des Hausprojekts, ein Wiederverkauf des Hauses kann aber nur mit der Zustimmung des beteiligten Syndikats erfolgen.
Bislang musste das Syndikat von seinem Vetorecht keinen Gebrauch machen. „Theoretisch ist es aber denkbar, dass alle Parteien verkaufen wollen“, sagt Regina Maier vom Mietshäuser Syndikat. Etwa wenn eine Brücke über das Haus gebaut werde. Dieser Fall ist aber noch nicht eingetreten. So wächst die Zahl der solidarischen Hausprojekte, 2012 allein um 13 Häuservereine. Weitere 23 überlegen, diesen alternativen Weg zu gehen. RALF PAULI