: Abriss wider die Vernunft
Eine Halle der denkmalgeschützten Kabelfabrik in Oberschöneweide soll abgerissen werden. Dabei ist nicht nur das zugrunde liegende Gutachten zweifelhaft. FHTW-Studenten protestieren dagegen
VON UWE RADA
Als größter Feind des Denkmalschutzes gelten private Investoren. Bislang. Nun aber macht sich auch das Land Berlin einen Namen als Denkmalvernichter. Am 4. Januar hat die oberste Denkmalschutzbehörde des Landes grünes Licht für den Abriss der AEG-Fernmeldekabelfabrik aus dem Jahr 1927/1928 gegeben. Auf das Gelände an der Wilhelminenhofstraße in Oberschöneweide soll die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) ziehen. Das Land ist demnach selbst der Bauherr. Kein gutes Zeugnis für eine Stadt, deren architektonisches Pfund vor allem die moderne Architektur der 20er-Jahre ist.
Die Kabelfabrik des Architekten Ernst Ziesel gehört zu einem Komplex des Kabelwerks Oberspree, das in den 20er-Jahren von der AEG erneuert wurde. Ursprünglich mit acht Stockwerken geplant, fiel das Gebäude wegen der Weltwirtschaftskrise nur halb so hoch aus. Dennoch ist die Fabrik, so Adrian von Buttlar, der Vorsitzende des Berliner Denkmalrates, ein „in seiner künstlerischen Qualität herausragender Industriebau der klassischen Berliner Moderne“. Was dem Zieselbau, der seit 1977 unter Denkmalschutz steht, nun zum Verhängnis wurde, sind bislang nicht bekannte Altlasten, vor allem eine Kontaminierung der Stockwerksböden mit Öl. Die FHTW, die ihre verschiedenen Standorte am Campus Oberschöneweide konzentrieren will, beauftragte daraufhin das Architekturbüro Nalbach und Nalbach mit einem Gutachten über mögliche Sanierungs- und Neubaukosten. Das Ergebnis: Abriss und Neubau kommen die öffentliche Hand billiger zu stehen als eine Sanierung.
Das Problem dabei ist nur, wie Adrian von Buttlar in einem offenen Brief an Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) schrieb: „Das Büro ist in Denkmalfragen unseres Wissens nicht speziell qualifiziert.“
Mehr noch: Nalbach und Nalbach, die bereits anstelle des ehemaligen Ahornblattes in Berlin-Mitte einen gesichtslosen Neubaukomplex setzten, sind auch noch die planenden Architekten der FHTW für weitere Gebäude auf dem Campus Oberschöneweide.
Wenig qualifiziert scheinen in diesem Fall aber auch die Denkmalschutzbehörden gewesen zu sein. Die beim Bezirk Treptow-Köpenick angesiedelte untere Denkmalschutzbehörde winkte den nach der Begutachtung gestellten Abrissantrag der FHTW wortlos durch. Widerspruch dagegen gab es vom Landesdenkmalamt und seinem Vorsitzenden Jörg Haspel sowie durch von Buttlars Denkmalrat. Ohne Erfolg. Als letzte Instanz entschied der Leiter der obersten Denkmalschutzbehörde, Manfred Kühne, zugunsten des Abrisses.
Für eine studentische Initiative an der FHTW ist das Fass damit übergelaufen. In einem offenen Brief fordern sie nun, den beschlossenen Abriss zu revidieren. „Was gilt der Denkmalschutz in Berlin, wenn sich die öffentliche Hand mit einer Verfügung einfach darüber hinwegsetzen kann“, heißt es in dem Schreiben an die Stadtentwicklungssenatorin. In einer Podiumsdiskussion in Oberschöneweide soll der Fall darüber hinaus noch einmal öffentlich verhandelt werden.
Ein Argument haben die studentischen Denkmalschützer bereits in der Hand. „Berlin will sechs Siedlungen der 20er-Jahre in die Unesco-Weltkulturerbeliste eintragen lassen“, sagt der FHTW-Student Ulrich Stahn. „Auf der anderen Seite werden denkmalgeschützte Industriebauten aus der gleichen Zeit leichtfertig abgerissen. Ohne die ist das Verstehen dieser Siedlungen aber nicht möglich.“
Die Podiumsdiskussion findet am 8. Februar um 18 Uhr statt. FHTW, Warschauer Platz 6–8, Raum 120