Sturheit und derbe Scherze

Eine Attentatsdrohung gegen Klimts Bilder im Wiener Belvedere erwies sich als Bierlaune. Der Politik fällt derweil ihre frühere Ignoranz auf die Füße

All jene, die Freitag ins Wiener Belvedere eilten, um die fünf Klimt-Bilder zu sehen, die demnächst restituiert werden müssen, erlebten eine bittere Enttäuschung. Die Bilder seien abgehängt worden, beschied man ihnen an der Kassa. Viele machten darauf wieder kehrt. Die wertvollen Gemälde waren nach einer – wie es hieß, „ernst zu nehmenden“ – Drohung ins Depot geschafft worden. Randy Schoenberg hatte eine E-Mail bekommen, in dem ein Unbekannter ankündigte, er wolle die Meisterwerke lieber vernichten, bevor er zulasse, dass sie oder ihr Gegenwert ins Ausland geschafft würden. Schoenberg ist der Anwalt von Maria Altmann. Die 89-jährige Kalifornierin wurde letzte Woche mit einem Schlag zur Multimillionärin, als ein Schiedsgericht in Wien ihr nach sechsjährigem Rechtsstreit mit der Republik Österreich fünf Bilder des Jugendstilkünstlers Gustav Klimt zusprach, darunter zwei Porträts der jüdischen Industriellengattin Adele Bloch-Bauer, einer Tante der Erbin.

Die „ernst zu nehmende“ Drohung erwies sich schnell als derber Scherz eines Niederösterreichers, der nach dem fünften Bier auf die Idee gekommen war. Der Mann war offenbar der Meinung, die Restitution der einst von den Nazis geraubten Gemälde, heute mit einem Gesamtwert von über 200 Millionen Euro, sei ein Attentat gegen Österreichs kulturelles Erbe. Heute soll in Übereinkunft mit der Versicherung beschlossen werden, ob die Bilder neuerlich dem Besucheransturm ausgesetzt werden.

Die für die Museen zuständige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, ÖVP, hatte nach dem Schiedsspruch verkündet, sie akzeptiere die Entscheidung, die Republik habe aber keine Möglichkeit, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Entschuldigungen für die Tricks und Blockaden der Regierung kamen ihr nicht über die Lippen. Ihr Ansinnen an Maria Altmann, sie möge die wertvollen Bilder als Dauerleihgabe in Wien lassen, wurde von dieser postwendend abgelehnt. „Die Österreicher sind so niederträchtig. Charmant, aber niederträchtig“, klagte die Erbin in der Schweizer Weltwoche. Die Bildungsministerin hatte einen Brief, in dem Altmann vor Jahren einen Vergleich angeboten hatte, nicht einmal beantwortet. Damals wären die Bilder bedeutend billiger zu haben gewesen. Auch Gerbert Frodl, der Direktor der Österreichischen Galerie, der den drohenden Verlust der Werke beklagt, wunderte sich über Gehrers Sturheit. Als er sie vor längerer Zeit aufrief, für den Fall der Restituierung Reserven anzulegen, mit denen man die Bilder zurückkaufen könne, habe sie ihm geantwortet, „das sei negatives Denken“.

Museumsdirektoren und Opposition fordern unisono, die Regierung müsse das Geld oder zumindest einen Teil bereitstellen. Gehrer, die trocken feststellte, das gesamte Kulturbudget von 70 Millionen Euro reiche nicht für den Rückkauf des wichtigsten Porträts, bemühte sich, unter Österreichs Millionären kunstsinnige Sponsoren zu finden. Zuletzt wurde die Gründung eines Bankenkonsortiums angedacht, das den Ankauf mit einem zwanzigjährigen Kredit finanzieren soll. RALF LEONHARD