: Bundesregierung will nun doch keine Netzsperren
INTERNET Schwarz-Gelb will illegale Webseiten löschen. Zensurinfrastruktur bleibt bestehen
BERLIN taz/apn | Die Bundesregierung hat angekündigt, Internetseiten mit bedenklichen Inhalten lieber löschen statt sperren zu wollen. Trotzdem bleiben Netzaktivisten skeptisch.
In einem Gespräch mit der taz begrüßte Netzaktivist Markus Beckedahl den Schritt der Regierung, gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass noch nicht klar sei, was mit der im Zugangserschwerungsgesetz beschlossenen Sperrinfrastruktur geschehen werde. „Wir fordern ein klares Bekenntnis der Regierung, die Struktur nicht einsetzen zu wollen“, sagte der Betreiber des Blogs Netzpolitik.org.
Das Gesetz, das die große Koalition im Sommer 2009 unter der Führung der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) verabschiedet hatte, erhitzte von Anfang die Gemüter von NetzaktivistInnen in Deutschland. Der AK Zensur startete eine Petition und sammelte 130.000 Unterschriften gegen das Gesetz.
Seit Ende letzten Jahres liegt das Gesetz bei Bundespräsident Horst Köhler (CDU), der es nun noch unterschreiben müsste. In einer Stellungnahme der Regierung an den Bundespräsidenten, die Ende letzte Woche im Präsidialamt einging und dem Spiegel vorliegt, forderte die Regierung nun, Internetseiten direkt zu sperren. Ein Sprecher des Präsidialamtes bestätigte am Dienstag der taz, dass das Schreiben im Amt eingegangen ist.
Als „reichlich peinlich“ bezeichnete Konstanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC), das Zurückrudern der Regierung und freute sich zugleich, dass die Regierung erkannt habe, dass die „Stoppschilder viel zu leicht umgangen werden können“. Die Löschung von kinderpornografischen Inhalten sei das, was sich der CCC immer gewünscht habe.
Markus Beckedahl gab zu bedenken, dass nicht klar sei, was mit der Zensurinfrastruktur geschehe, wenn das Gesetz unterschrieben werden sollte. Die Aussage der Regierung, so Beckedahl, schließe nicht aus, dass der nächste „Populist“ die Strukturen für seine Zwecke gebrauchen könnte.
Dieser Ansicht ist auch Alvar Freude vom Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur) und verwies auf die anstehende Erneuerung des Jugendmedien-Staatsvertrags. In einem aktuellen Entwurf werden unter anderem Internetzugangsanbieter dazu aufgefordert, ausländische Webseiten zu blockieren. Außerdem sollen Inhalte in Alterskategorien eingeteilt und nur zu bestimmten Tageszeiten angeboten werden.
„Das ist genau das Gleiche, was Ursula von der Leyen gefordert hat, nur auf einem anderen Weg“, sagte Freude. Die Novellierung des Gesetzes könnte bereits im Sommer beschlossen werden.
LUKAS DUBRO
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