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Archiv-Artikel

Ein ganz gefährlicher Kerl

Der bayerische Liedermacher Hans Söllner hat sich wieder einmal mit Günther Beckstein (CSU) angelegt

Bayerischer Rebell wird der Liedermacher Hans Söllner gerne genannt. Wenn er nicht auf der Bühne steht, dann vor den Schranken der verschiedenen Gerichte und mehrt so seinen Ruf als Widerständler vom Dienst. Mal soll er zum Drogenkonsum aufgefordert haben, mal Politiker verleumdet und beleidigt haben. Zu seinen Lieblingsfeinden gehört schon seit Jahren der bayerische Innenminister Günther Beckstein.

„Also, entschuldige bitte schön. Da gibt’s wirklich andere Sachen, über die sie sich aufregen könnten. 60.000 Kinder sterben jeden Tag auf dieser Welt, nicht im Monat, jeden Tag. Das ist unvorstellbar. Und da geh ich zu weit, weil ich sage, der Beckstein ist ein Arschloch und ich zeige ihm meinen Arsch. Also, entschuldige bitte schön. Was ist denn dann nicht zu weit gehen“, erklärte Söllner vor einigen Jahren in einem Interview.

Im Jahr 2001 brachte er nun Beckstein nicht mehr mit einem bestimmten Körperteil, sondern mit gar nicht mehr lebenden Personen in Verbindung und bekam prompt wieder Ärger mit der Justiz. Denn diese Personen waren führende Nazis.

„Friara hams Hitler ghoaßn, Himmler / wiaßt’s es no, ha / heit hoaßns Beckstein, Haider / friara warn’s de Juden, heit de Türken / des kimmt se ois aufs selbe raus“, heißt es in dem Reggaesong „Mei Angst“.

Beckstein ging wie erwartet zum Kadi, und die Odyssee durch die Instanzen begann. Im Juli 2003 wurde der 50-jährige Songrebell vom Münchner Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 18.000 Euro verurteilt. In zweiter Instanz wurde er aber unter Verweis auf die Kunstfreiheit freigesprochen. Das Urteil wurde wiederum vom obersten bayerischem Landesgericht aufgehoben und der Fall zur erneuten Verhandlung an das Münchener Landgericht zurückverwiesen. Dort ging das Verfahren jetzt zu Ende. Söllner muss eine Geldstrafe von 900 Euro zahlen, weil „die Gleichsetzung Becksteins mit Hitler und Himmler herabwürdigend sei und daher die Freiheit der Kunst zu Gunsten des Persönlichkeitsschutzes zurücktreten“ müsse, wie die Richterin Jutta Zeilinger bei der Urteilsverkündung erklärte. Der Verurteilte sieht sich aber als moralischer Sieger in dieser Auseinandersetzung. In dem Verfahren wurde der Münchner Rechtsanwalt Alexander Eberth als Zeuge der Verteidigung geladen. Der Anwalt hatte den in München geborenen „Mehmet“ verteidigt, der 1998 mit 14 Jahren wegen verschiedener Straftaten medienwirksam in die Türkei abgeschoben worden war. Eberth sagte vor Gericht aus, dass Beckstein diese Abschiebeaktion öffentlichkeitswirksam vor den bayerischen Landtagswahlen organisiert habe. Söllner sieht seine inkriminierten Zeilen als Reaktion auf dieses Politikerverhalten.

Die liberalen Medien sahen denn auch Beckstein als den eigentlichen Verlierer des Verfahrens. „Beleidigungsprozess gegen Sänger wird zum Bumerang“, hieß es in der Frankfurter Rundschau, und auch die Süddeutsche Zeitung sah den Innenminister durch das Verfahren beschädigt. Was noch zu beweisen wäre. Schließlich strebt Beckstein nicht die geistige Oberhoheit über die Redaktions-, sondern die Stammtische an. Dort gilt Söllner aber tatsächlich als so gefährlich, wie er sich selber gerne inszeniert. PETER NOWAK