So sehen Demokraten aus

100. Friedrichshagener Montagsdemo

VON SUSANNE MEMARNIA

Wer tut sich das an – und warum? Die meisten Menschen fragen sich wohl unwillkürlich, was das für Zeitgenossen sein mögen, die Woche für Woche, jahrein, jahraus für oder gegen etwas auf die Straße gehen. Und viele mögen denken: was für Vollpfosten! Das bringt doch nichts.

Tatsächlich sieht es so aus, als änderten solche ritualisierten Veranstaltungen nichts an der grauen Wirklichkeit. Fast neun Jahre gibt es Montagsdemos gegen Hartz IV, zwei Jahre die gegen Flugrouten überm Müggelsee – geschehen ist: nichts. Oder vielleicht doch? Schon bei den Hartz-Montagsdemos hat es geheißen, dass sie den Arbeitslosen wenigstens eine politische Perspektive geben, sie aus ihrer Vereinzelung holen. Es mag zynisch klingen, aber Hartz IV hat gewiss so manchem Dauerprotestler eine Art Lebenszweck gegeben. Für diesen Feind lohnt es sich, jeden Montag aufzustehen – auch wenn er übermächtig ist.

Wahre Demokraten

Etwas anders liegt der Fall bei den Flugrouten-Demonstranten, in der Regel eher gestandene, bürgerliche Menschen. Aber auch sie hat ihr Protest verändert, hat sie zu Experten rund um alle Flughafenfragen gemacht. Das sind keine unpolitischen Not-in-my-backyard-Protestler (mehr): Diese Menschen stellen – über ihre eigene Betroffenheit, mit der es anfing – die ganze Widersinnigkeit des Großprojekts BER an den Pranger.

Und beide Gruppen eint etwas, was man in Zeiten globaler Ernüchterung nicht hoch genug schätzen kann: Die Dauerdemonstranten sind wahre Demokraten. Sie ballern weder mit der Kalaschnikow, noch gehen sie in die innere Emigration. Sie greifen zu einem der wenigen Mittel, die Bürgern in Demokratien zur Verfügung stehen. Unverdrossen, beharrlich und optimistisch. Bewundernswert.