Möbel ohne Grenzen

Der Streit um den berühmten Bauhaushocker „B9“ ist entschieden: Die Rechte liegen in New York, das niedersächsische Lauenförde hat das Nachsehen. Dabei reklamiert man dort das Original für sich

von Daniel Wiese

Christian Drescher hat es kommen sehen. „Der Pressewirbel jedes Mal wundert mich schon“, sagt der Juniorchef des Möbelherstellers Tecta. Hatten die Richter nicht angekündigt, dass sie so entscheiden würden? „Bedauerlich“ findet Drescher diese Entscheidung. Wirklich aufzuregen scheint sie ihn nicht.

Dabei geht es in dem Rechtsstreit, der die Gerichte in Düsseldorf beschäftigte, um ein deutsches Kulturgut: den „B9“. Das ist kein Bomber und auch keine Bundesstraße, es ist ein Möbelstück, 1925 entworfen vom Bauhaus-Meister Marcel Breuer. „Der Stahl, ein annähernd homogenes Material, ist viel eher in besonders widerstandsfähige Formen zu bringen als das in seinen mechanischen Eigenschaften beschränkte Holz“, notierte der zwei Jahre später.

Das Ergebnis war ein Produkt, und an diesem Punkt kommt der Juniorchef doch ins Schwärmen, aus einem schier „endlosen Stahlrohr“. Einfach, aber markant, ein Markenzeichen. Als solches stand es bei Tecta, der Firma mit Sitz im niedersächsischen Lauenförde, im Katalog, Maße: 45 x 38 x 45 Zentimeter , „so wie das Originalmodell nicht verchromt“, sondern aus vernickeltem Stahlrohr mit einer lackierten Holzplatte oben drauf.

Weil der „B9“ aber Kunst ist, braucht es dafür eine Lizenz. Die hatte die Firma Tecta zwar, abgeschlossen 2001 mit dem Bauhaus-Archiv in Berlin, hinter dem Marcel Breuers Erben stehen. Doch wo eine Lizenz ist, findet sich leicht eine zweite. Die hatte in diesem Fall die Firma Knoll International mit Hauptsitz in New York, die fast dasselbe Möbelstück als „Laccio-Tisch“ vertreibt. Sie beruft sich auf einen Vertrag, den Marcel Breuer selbst 1968 mit der italienischen Firma Gavina S. p. A. abgeschlossen habe, die wiederum 1971 von Knoll International aufgekauft wurde.

In dem Vertrag hatte Breuer alle „Rechte, Befugnisse und Ansprüche“ auf seinen Entwurf an die italienische Firma abgetreten, vor Gericht gab das den Ausschlag. Doch ist der „Laccio-Tisch“ überhaupt identisch mit Marcel Breuers legendärem „B9“? Auch nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das zur Revision nicht zugelassen wurde, hat der Juniorchef von Tecta in Lauenförde seine Zweifel. Erstens werde der Laccio-Tisch der Konkurrenz eben als Tisch verkauft, nicht als Hocker, das Stahlrohr sei verchromt, nicht vernickelt und die Oberfläche aus laminiertem Kunststoff, nicht aus Holz. Vor allem aber: die Maße! 55 x 50 x 45 Zentimeter, wo bleibe da die Konsequenz von Breuers Entwurf mit ihren „acht gleichen Radien?“

Poul Mygind Jensen, der Deutschlandmanager von Knoll International in Köln, versteht die Aufregung nicht. Tisch oder Hocker? „Hier bei uns wird er als Tisch angeboten, aber man kann sich auch draufsetzen“, sagt Jensen verwundert. Die Laccio-Tische seien jedenfalls so von Marcel Breuer entworfen. „Der hat eben verschiedene Tische gemacht.“

Es war Knoll International, die vor Gericht gingen. Allerding erst, nachdem Tecta einen bösen Brief geschrieben hatten, in dem sie auf ihre „ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte“ pochten. „Ein Bumerang“, sagt Knoll-Manager Jensen. Es klingt fast mitleidig.